Sommernächte im Retro Istria

Wir schreiben den Sommer 2023. Es ist nicht das erste Mal, dass ich durch Slowenien mit dem Zug reise, aber es ist das erste Mal, dass ich mich länger in der Region aufhalte, in der Slowenien, Kroatien und Italien aufeinandertreffen, also ganz im Norden von Istrien, dieser Halbinsel an der Adria.  Eine Nacht verbringe ich in Divača, wo sich die Bahnstrecke aus Ljubljana in die Äste nach Trieste und Koper bzw. Pula aufspaltet, besichtigte die Höhlen von Škocjan (sehr empfehlenswert!), besteige mit Freunden den Berg Slavnik, von dem aus man einen fantastischen Blick runter auf die Küste und die Städte Trieste und Koper hat. Eine andere Nacht schlafe ich unweit des Bahnhofs von Pivka, wo die Bahnstrecke nach Rijeka abzweigt. Diese Tage in Slowenien sorgen aber nicht nur dafür, dass ich mich in die Landschaft, die Natur und die Aussichten verliebe, sondern auch, dass ich mich näher mit dem Eisenbahnnetz in dieser Region und den Verbindungen beschäftige. Der Verkehr hier ist rar. So fährt beispielsweise nur ein durchgehendes Zugpaar pro Tag (und auch nur ein paar Monate im Sommer) auf der Bahnstrecke nach Pula. Nur wenige Fahrten mehr gibt es nach Koper, Trieste oder Rijeka. Darunter ist aber eine ganz besondere Verbindung, so stelle ich fest: Etwa zwei Monate lang (im Kern im Juli und August) verkehrt täglich ein ungarischer Nachtzug ab Budapest über Maribor und Ljubljana mit zwei Zugteilen nach Rijeka und Koper. Zum Einsatz kommen alte unklimatisierte Schlaf-, Liege- und Sitzwagen der ungarischen Bahn. Damit geht man seitens der ungarischen Bahn auch offensiv um und nennt den Zug daher „Retro Istria“. Bei einer herrlichen Fahrt abends von Koper nach Ljubljana sind zwei dieser Kurswagen meinem slowenischen Regionalzug angehängt. In dem Moment beschließe ich: Nächstes Jahr fahre ich mit. 

Die Reise beginnt am Bahnhof Budapest-Déli. Über Nacht fahre ich im Liegewagen des „Retro Istria“ über Maribor, Ljubljana und Pivka nach Rijeka. Nach einem halben Tag in der kroatischen Küstenstadt geht es mit einem kroatischen Regionalzug nach Zagreb. Dort nächtige ich. Am folgenden Reisetag geht es mit dem EC „Croatia“ nach Maribor, dann mit dem EC „Emona“ nach Ljubljana. Für die Fahrt aus der slowenischen Hauptstadt in die Hafenstadt Koper nutze ich den Fernbus. Anschließend geht es mit dem anderen Zugteil des „Retro Istria“ wieder zurück nach Budapest.

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Januar-Frühling am Ätna und in Italien

2018 hat es mich das erste Mal mit der Bahn nach Sizilien verschlagen und ich war schwer begeistert von der über 20-stündigen Fahrt mit dem Nachtzug aus Mailand dorthin, der Landschaft und dem Blick auf den Ätna (Bericht hier). Eines war damals klar: Ich werde wiederkommen, um andere Teile der Insel noch näher kennenzulernen. Insbesondere die Schmalspurbahn rund um den Ätna, die Ferrovia Circumetena, war natürlich Pflichtprogramm. Ich kam wieder: Im Herbst 2021 (bisher habe ich keinen Bericht zu dieser Reise geschrieben), wieder mit zu wenig Zeit und viel zu vielen Wünschen, so reichte es damals auch nicht für die Fahrt um den Vulkan.
Die Chance, diesen Wunsch endlich zu verwirklichen kam dann im Januar 2023 – sehr spontan. Ich hatte die ersten beiden Wochen des Jahres Urlaub und wollte ursprünglich in der zweiten Woche Ski fahren. In der ersten Woche wollte ich eigentlich „nur“ den neuerdings nach Stuttgart verlängerten nightjet nach Venedig testen und dann erstmal zurück nach Hause, um die Skisachen zu holen. An Silvester kippte ich diesen Plan: Es war einfach nicht Winter genug. In den Alpentälern waren die Wissen grün und wenn Skifahren, dann wollte ich schon auch etwas Wintergefühle haben und nicht nur auf Gletschern oder weißen Bändern ins Tal fahren. So buchte ich mir spontan nach der Fahrt nach Venedig weitere Zugverbindungen und landete so relativ spontan wieder auf Sizilien.

Die Tour beginnt mit dem Nachtzug nach Venedig. Weiter geht es bis Bozen, wo ich meine zweite Nacht verbringe. Mit Abstecher nach Meran geht es dann weiter über Verona nach Mailand. Der Nachtzug bringt mich bis nach Siracusa. Den nächsten Tag verbringe ich ungeplant zwischen Siracusa und Messina und übernachte in Taormina. Dann geht es endlich um den Ätna und weiter aufs Festland nach Reggio Calabria. Nach einer weiteren Übernachtung fahre ich die „Sohle“ des italienischen Stiefels ab bis Taranto und noch weiter bis Bari. Hier übernachte ich erneut und fahre am Folgetag mit dem Frecciarossa die Ostküste hinauf bis nach Bologna und dem italo bis Turin. Die Rückfahrt erfolgt dann am nächsten Tag durch den Mont-Cenis Tunnel und Paris nach Köln.

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Go East! Auf Stippvisite in Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei

 „Ich war noch niemals in Polen, ich war noch niemals in der Slowakei. Fuhr nie in die Hohe Tatra mit einem Zug.“
Bevor diese Umdichtung des Klassikers von Udo Jürgens ausartet, schreibe ich lieber normal weiter: Unsere östlichen Nachbarländer waren bisher eher ein blinder Fleck für mich, abgesehen von mehreren Besuchen und Prag und einem Besuch in Budapest vor ein paar Jahren. Dabei habe ich schon so viele Reiseberichte gelesen, die begeistert von Bahnreisen in diese Länder erzählen. Also musste ich auch dringend mal meinen Horizont nach Osten hin erweitern. Ein paar freie Tage Ende Oktober 2019 ermöglichten mir zumindest eine kleine Tour zum Kennenlernen und zur Orientierung, um dann in Zukunft nach diesen ersten Eindrücken manche Ziele mit etwas mehr Zeit gezielt anfahren zu können. Auch ist Ende Oktober, was die Witterung angeht, sicher nicht der optimale Zeitpunkt, um in unseren Breiten zu verreisen, aber auch zu dieser Zeit will das Fernweh und die Sehnsucht nach Fahrten mit Nachtzügen gestillt werden. So ergab sich folgende Rundreise (oder bessere Zick-Zack-Reise):

Mit dem ICE geht es morgens von NRW nach Berlin und dann weiter mit dem EC nach Warschau. Den Nachmittag und frühen Abend verbringe ich in der polnischen Hauptstadt. Mit dem Nachtzug geht es anschließend weiter nach Budapest. Den Vormittag verbringe ich in der Hauptstadt Ungarns. Nachmittags geht es dann mit dem EC nach Prag. Von dort fahre ich weiter mit dem Nachtzug nach Košice. Tagsüber geht es dann über Štrba, mit Abstecher zur Zahnradbahn nach  Štrbské Pleso, und Žilina nach Pardubice. Nach zwei Nächten im Nachtzug übernachte ich hier im Hotel. Am letzten Reisetag fahre ich mit dem SuperCity (Pendolino) der Tschechischen Bahn nach Cheb, mit dem DB-Regionalexpress nach Nürnberg und von dort aus über Kassel wieder nach NRW.

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Im umgeleiteten Nachtzug nach Rom und über die Berninabahn zurück

Wenn eine wichtige Bahnstrecke wegen Bauarbeiten gesperrt ist, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder gibt es im Bereich der Sperrung einen Schienenersatzverkehr mit Bussen oder der Zug wird über eine andere Strecke umgeleitet. Die Möglichkeit der Umleitung wird eigentlich nur in Betracht gezogen, wenn es eine alternative Strecke in der Nähe gibt, sodass sich die Fahrt in vertretbaren Rahmen verlängert. Nachtzüge stellen hier eine Ausnahme dar, schließlich möchte man die Fahrgäste wohl in der Regel nicht mitten in der Nacht aus dem Bett holen, sie in einen Bus setzen, um sie auf der anderen Seite der Sperrung (bestenfalls) wieder in den nächsten Schlafwagen einsteigen zu lassen. Das würde DEN Vorteil schlechthin des klassischen Nachtzuges zunichtemachen. Genau aus diesem Grund kann man bei Nachtzügen häufig auch weiträumige Umleitungen erleben, gerade in Österreich.

Im Herbst 2018 war die Tauernbahn zwischen Schwarzach-St.Veit und Villach einen knappen Monat lang gesperrt (konkret im Abschnitt Schwarzach – Böckstein). Der ÖBB nightjet München – Rom wurde in dieser Zeit weiträumig von Bischofshofen über das Ennstal, Leoben und den Neumarkter Sattel nach Villach umgeleitet. Dies sorgte dafür, dass der Zug in München vier Stunden früher losfuhr als gewöhnlich, nämlich um 16 Uhr statt um 20 Uhr. Am Nachmittag schon in einen Nachtzug einsteigen – das wollte ich unbedingt erleben.

Als Rückfahrt beschreibe ich die Fahrt mit dem italienischen Hochgeschwindigkeitsverkehr nach Mailand und weiter über Tirano, die Berninabahn (UNESCO Welterbe) und die Schweiz zurück nach Hause.

Hinweis: Diese Tour hat so nicht stattgefunden. Für diesen Reisebericht habe ich eine Fahrt nach Rom und eine Rückfahrt von Rom über die Berninabahn zu einer Reise zusammengefasst. Tatsächlich bin ich im Herbst 2018 auch wieder mit dem umgeleiteten Nachtzug zurückgefahren und die Fahrt Rom – Tirano – Deutschland habe ich schon mehrmals in den vorherigen Jahren durchgeführt, ohne dass ich nach Rom mit einem umgeleiteten Nachtzug angereist bin. Ich beschreibe eine Rückfahrt aus Rom, die ich mit meinem Vater im Juni 2016 gemacht habe. Dabei greife ich aber nicht nur auf Bilder dieser beschriebenen Rückfahrt zurück sondern nutze auch Bilder weiterer Reisen auf dieser Strecke. Daher bitte nicht wundern, wenn die Fotos teilweise unterschiedliches Wetter/unterschiedliche Jahreszeiten zeigen.

Mit dem ICE geht es von Münster nach München. Mit dem nightjet über die Umleitungsstrecke nach Rom. Nach einem Tag und einer Nacht in Rom geht es mit dem Hochgeschwindigkeitszug nach Mailand und mit der Regionalbahn entlang des Comer Sees nach Tirano. Dort verbringen wir eine weitere Nacht. Der letzte Reisetag führt uns über die Bernina- und Albulabahn nach Chur, entlang des Walen- und Zürichsees nach Zürich und mit einer Tagesrandverbindung zurück nach Münster.

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Bahnerlebnisse am Semmering

Es war das Jahr 2013, als ich den Semmering mehr oder weniger unerwartet kennenlernte. Ich war mit dem „Deutschland-Pass“ (einem Ticket, das es heute leider nicht mehr gibt) einen Monat in Deutschland unterwegs und zwei Tage in Österreich und der Schweiz. Jeweils zwei Tage in unseren beiden Nachbarländern waren 2013 im Ticket inbegriffen. Am ersten Tag fuhr ich nach Wien und verbrachte den Abend und die Nacht dort. Am zweiten Tag plante ich, möglichst viel von Österreich zu sehen. Also sollte es von Wien über Villach, die Tauernbahn, die Salzburg-Tiroler-Bahn und den Arlberg zum Bodensee gehen. Dass es ab Villach bis zum Bodensee immer wieder tolle Bergerlebnisse geben würde, war mir vorab klar. Die Gegend kannte ich von mehreren Familienurlauben mit dem Auto. Über die Fahrt von Wien nach Villach hatte ich mir vorab keine besonderen Gedanken gemacht und auch nicht richtig auf die Karte geguckt. Ich erwartete deshalb nichts Besonderes, als ich in Wien-Meidling in den railjet nach Villach stieg. Welch ein Irrtum! Nach einer knappen Stunde Fahrt wurde das Tal plötzlich sehr eng und die Strecke kurvig. Wir fuhren über Viadukte, durch Tunnels, immer höher und die Aussicht wurde immer besser. Ich war überrascht und begeistert und musste erst einmal im Internet recherchieren, wo ich denn da gelandet bin: Am Semmering.

Die damalige Fahrt hat mich mit einem „Semmering-Virus“ infiziert. Mittlerweile kenne ich die Semmeringbahn in und auswendig, weiß, dass sie eine von nur drei Bahnstrecken weltweit mit UNESCO-Welterbe-Status ist und für mich die wohl schönste Bahnstrecke Österreichs. Ich habe nicht mitgezählt, wie häufig ich seitdem über den Semmering gefahren bin. Es werden weit über 20 Fahrten sein, was für jemanden, der in NRW wohnt, doch recht ungewöhnlich sein dürfte.

Doch nicht nur die Fahrt über den Semmering ist toll, man kann zum Beispiel auch wunderbar entlang der Semmeringbahn wandern. Außerdem lohnt sich auch der Besuch der Lokalbahn Payerbach-Hirschwang (Höllentalbahn), einer Museumsbahn, die am Fuße des Semmerings gleich neben dem ÖBB-Bahnhof Payerbach-Reichenau startet. Empfehlenswert ist auch die Fahrt über den Semmering mit besonderen Regelzügen, etwa dem Nachtzug oder einem der Züge mit besonderen Speisewagen.

Screenshot OpenStreetMap © OpenStreetMap-Mitwirkende

In diesem Bericht geht es zunächst um die Wanderung von Semmering nach Breitenstein, anschließend um die Höllentalbahn und schließlich um besondere Regelzüge auf der Semmeringbahn.

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