Januar-Frühling am Ätna und in Italien

Insgesamt ist es wieder eine relativ gute Nacht. Ich schlafe recht tief, obwohl das Bett ziemlich hart und damit nicht so bequem ist. Meine bisherigen Erfahrungen im italienischen Schlafwagen waren eher anderer Natur: Die Matratzen waren eher weich, was ich sehr angenehm empfand. Möglicherweise also ein Spezifikum der moderneren Excelsior-Schlafwagen.

Es dringt am Rand der Jalousie schon etwas Tageslicht in mein Abteil, als ich aufwache. Es ist kurz vor halb acht. Der Tag erwacht und laut Fahrplan müssten wir nun schon recht weit in Süditalien sein, Neapel und Salerno hinter uns gelassen haben. Ich ziehe die Jalousie hoch und der Zug rollt in Salerno ein. Uff, wir haben offenbar fast anderthalb Stunden Verspätung. Auf der anderen Seite: Dann kann ich den nun folgenden besonders schönen Streckenabschnitt komplett erleben und verschlafe ihn nicht teilweise.

Nach dem Halt nimmt der Zug Tempo auf, die Strecke hier ist zwar keine Schnellfahrstrecke, aber offenbar doch ganz gut ausgebaut. Mein Schlafwagen ist leider so ausgerichtet, dass ich in Richtung Inland schaue und nicht in Richtung Meer. Da ich keine Lust habe, die ganze Zeit am Gang zu stehen, schaue ich diesmal also aus dem Bett vor allem auf die Berge, Dörfer und die Landschaft und stelle fest, dass sich dieser Blick auf alle Fälle auch lohnt.

Meine Abteiltür habe ich zwischenzeitlich geöffnet, sodass der Schlafwagenbetreuer weiß, dass ich wach bin und mir mein Frühstück bringt. Das besteht in erster Linie aus fertigem Süßgebäck, das ich mit meinen Allergien nicht vertrage. Gut also, dass ich gestern in Mailand noch einkaufen war und mir so mein eigenes Frühstück zubereiten kann. Aber der frische heiße Espresso, den es hier gibt, der wirkt Wunder.

Wir rasen, weitestgehend entlang der Küste (genauere Beschreibung der Fahrt in diesem Bericht), Sizilien entgegen. Dabei fährt der Zug spannenderweise an vielen planmäßigen Halten durch. Da der Nachtzug nur aus Schlaf- und Liegewagen besteht und alle Halte nach der Nacht nur zum Ausstieg gedacht sind, weiß man offenbar genau, bis zu welchen Halten Gäste gebucht haben – und wenn niemand den Ausstieg gebucht hat, kann der Zug durchfahren. So schaffen wir es auch langsam, unsere Verspätung zu reduzieren.

Derweil wird es in meinem Abteil sehr kühl. Die Lüftung pustet unentwegt kalte Luft hinein. Eigentlich gibt es zur Nachregelung im Abteil einen Drehknopf. Dieser lässt sich aber so viel man möchte in meine Richtungen drehen ohne Widerstand. Mit anderen Worten: Er scheint defekt zu sein und ich kann nicht herausfinden, wie er gerade eingestellt ist. Ich versuche mit Händen und Füßen dem Schlafwagenbetreuer klar zu machen, dass es zu kalt bei mir ist. Es funktioniert, er versteht meine Gesten und geht an den Schaltschrank und hantiert dort herum. Und siehe da: Nach geraumer Zeit strömt tatsächlich wieder wärmere Luft ins Abteil.

Nachdem draußen zunächst strahlend blauer Himmel zu sehen war, fahren wir zwischenzeitlich in etwas schlechteres, bedecktes Wetter. Irgendwann werden die Wolken dann aber wieder weniger – und Sizilien erscheint am Horizont.

Bisher kannte ich das so, dass nun die Toiletten im Wagen abgeschlossen werden. Der Grund: Die „normalen“ italienischen Schlafwagen (sowie die Liegewagen, aber auch die IC-Wagen) haben noch klassische Fallrohr-Toiletten und das, was aus dem Rohr kommt, möchte man natürlich ungerne auf der Fähre haben. Der Excelsior-Schlafwagen hat dagegen geschlossene Toiletten, sodass ich das Klo bei mir im Abteil dauerhaft benutzen kann.

Während wir auf den Bahnhof Villa San Giovanni zurollen, fängt die Lüftung an, schon wieder sehr kalte Luft zu mir ins Abteil zu blasen. So bin ich dann froh, als wir in den Bahnhof einrollen und die Lüftung ausgeht, weil die Lok abgekuppelt wird. Auch mein Schlafwagenbetreuer steigt hier aus.

Wir haben noch ca. eine Stunde Verspätung. Trotzdem dauert es wieder eine halbe Ewigkeit, bis sich der Zug in Bewegung Richtung Fähre setzt. Manchmal frage ich mich, wie viel Zeit man einsparen könnte, wenn das Abkuppeln der Lok, das Ankuppeln der Rangiereinheit – bestehend aus Rangierlok und Kuppelwagen – und das Rangieren auf die Fähre mal zügig gehen würde. Aber hier in Süditalien scheint man es lieber gemächlich angehen zu lassen. Vielleicht gibt es auch einen betrieblichen Grund für die Langsamkeit, aber dann erschließt er sich mir nicht. Die Fähre, so viel kann ich sehen, steht die ganze Zeit bereits am Anleger und es kommen auch keine weiteren Züge, die unseren Weg zur Fähre blockieren würden.

Irgendwann geht es aber dann tatsächlich los und der Zug wird erst „runter“ zum Anleger gezogen und dann auf drei Gleise auf der Fähre verteilt. Mein Wagen ist Teil der zweiten Gruppe. Sobald wir stehen, öffnet ein Fährmitarbeiter die Tür und ich steige aus. Über Treppen erreiche ich das Passagierdeck. An der Bar kaufe ich mir eine Cola und dann genieße ich die sonnige Überfahrt.

Die Fahrt ist viel zu schnell vorbei, dauert nur ca. eine halbe Stunde. Die Straße von Messina ist aber auch nicht sonderlich breit. Ich steige also wieder in meinen Wagen, und dann beginnt das Rangieren erneut und der Zug wird in den Bahnhof von Messina geschoben. Kaum sind wir am Bahnsteig, bleibt unsere Zughälfte, die hintere, stehen, und die vordere wird noch auf das Nachbargleis umrangiert, denn sie fährt von hier weiter nach Palermo, während mein Zugteil die Strecke nach Syrakus nimmt. Ich genieße noch etwas die frische Luft am Bahnsteig, während hinten und vorne Loks angekuppelt werden. Am Nachbarbahnsteig kann ich den IC sehen, der nun auf die Fähre geschoben wird und am Abend Rom erreichen soll.

Mit nach wie vor ca. einer Stunde Verspätung setzen wir uns dann in Bewegung. Der Strom ist wieder da und auch die Lüftung ist gnädiger und pustet etwas wärmere Luft ins Abteil. Nun steht das Abteil übrigens genau richtig herum und ich habe eine perfekte Sicht auf die Küste und auf der anderen Seite der Küste das Festland.

Ein neuer Mitarbeiter der Betreuer-Firma des Schlaf- und Liegewagens kommt vorbei und händigt mir eine kleine Speisekarte aus. Mittlerweile scheint es also schon ein gewisses gastronomisches Angebot zu geben. Auf der Karte stehen vor allem Snacks und Getränke, aber auch ein Pasta-Gericht. Mit meinen Allergien, so muss ich aber schnell feststellen, ist das aber alles nichts. Also esse ich den Salat, den ich gestern noch in Mailand eingekauft hatte. Trotzdem reizt es mich immer, wenn die Bahngesellschaften schon ein gastronomisches Angebot bieten, dieses auch zu nutzen. Somit bestelle ich, als der Mitarbeiter nochmal vorbeikommt, eine Cola und (weil er vorhin so gut war) einen weiteren Espresso.

Währenddessen genieße ich den Blick aufs Meer. Irgendwann fahren wir dann an der vielleicht schönsten Stelle der Strecke vorbei: Den Buchten von Taormina. Hier werde ich morgen Abend nach meiner Fahrt um den Ätna übernachten. Aus dem Zug ist die Passage zwischen mehreren Tunnels immer so schnell vorbei.

So langsam werde ich müde und merke, dass eine (kurze) Nacht im Schlafwagen dann doch nicht so erholsam ist wie eine Nacht im „echten“ Bett. Ich lege mich daher nochmal hin und genieße den Ausblick im Liegen, merke aber, dass ich langsam mit Eindrücken gesättigt bin.

Catania, die Stadt am Fuße des Ätnas, zieht vorbei, dann Augusta mit dem Hafen und den vielen Schiffswracks, die man hier sehen kann. Es gibt schönere Orte. Normalerweise hat man hier auf der Fahrt auch einen Blick auf den Ätna, der bleibt mir heute aber verwehrt, es hängen Wolken vor dem Vulkan und die Sicht ist sowieso sehr diesig.

Irgendwann erreichen wir dann mit etwas weniger als einer Stunde Verspätung die Endstation Siracusa. Kaum Fahrgäste sind bis zum letzten Halt mitgefahren. Es steigt neben mir nur eine Hand voll weiterer Fahrgäste aus und das Personal.

Ich schaue mich noch kurz am Bahnhof um und checke dann im Hotel ein, das sich direkt gegenüber am Bahnhofsvorplatz befindet. Das Hotel sieht von außen schon etwas wie eine Bruchbude aus, von innen ist es aber in Ordnung und vor allem günstig. Ich bin das zweite Mal hier und die Lage ist für die eine frühe Abfahrt am nächsten Morgen optimal. Und relativ frühes Abfahren ist morgen nötig, denn ich möchte ja den Ätna umrunden und die komplette Strecke der Schmalspurbahn Ferrovia Circumentnea fahren. Auf dem Streckenabschnitt zwischen Riposto und Randazzo verkehren nur drei Züge täglich, und das macht den Plan etwas unflexibel. Meine Idee ist es, zunächst nach Catania zu fahren, mir dort noch etwas Zeit zu gönnen, um mal wieder die Stadt zu besuchen und dann mittags von der Station der Schmalspurbahn nach Randazzo zu starten, wo ich nach ca. einer Stunde Aufenthalt mit dem mittleren der täglich drei Züge nach Riposto weiterfahre. Dort würde ich mit der trenitalia wieder weiter nach Taormina fahren, wo sich meine nächste Unterkunft befindet.

Ich checke am Handy zunächst die Verbindung nach Catania und bin entsetzt: Ich finde kaum Züge, die fahren. Neben den zwei Intercitys um 7 und 10 Uhr (letzterer zu spät) ein Regionalzug gegen viertel vor neun und dann eine stundenlange Lücke bis 16 Uhr (abgesehen vom Nachtzug nach Mailand nach 13 Uhr, in dem man als normaler Reisender mangels Sitzwagen nicht mitfahren kann). Wie kann das sein? Bauarbeiten? Ich gehe zum Bahnhof und gucke auf den Aushangfahrplan. Bei sämtlichen regionalen Verbindungen zwischen den beiden Zügen um 8.44 Uhr und 10.01 Uhr ist vermerkt, dass diese an Feiertagen nicht fahren. Mit fällt es wie Schuppen von den Augen: Morgen ist der 6. Januar, Heilige drei Könige, offenbar ein Feiertag in Italien. Dass da nach Neujahr noch ein Feiertag kommen könnte, darauf kommt man als Nordrhein-Westfale ja nicht. Mist. Das habe ich bei der Reiseplanung nicht bedacht. Und das eigentliche Problem ist nicht die Taktlücke morgen zwischen Siracusa und Catania, sondern, dass die Ferrovia Circumetnea an Sonn- und Feiertagen nicht fährt. Das weiß ich aus dem Kopf, habe ich bei der Reiseplanung doch extra darauf geachtet, keinen Sonntag zu erwischen. Mit einem Freitag fühlte ich mich sicher, aber hatte den Feiertag wirklich nicht bedacht.

Merkwürdig finde ich das so oder so, dass eine solche Bahn, die vermutlich auch viele Touristen nutzen, an Sonn- und Feiertagen nicht fährt. Noch merkwürdiger ist es aber, dass in Italien bei der „echten“ Bahn an Feiertagen so viel weniger Züge fahren als Sonntag. Tatsächlich stehen viele der Verbindung so im Fahrplan, dass sie ausschließlich an Feiertagen ausfallen, an Sonntagen aber fahren. Offenbar haben Feiertage in Italien nochmal eine besondere Bedeutung.

Im Kopf fange ich direkt an, umzuplanen: Es kann doch nicht sein, dass es auf dieser Reise wieder nicht klappt mit der Ätna-Umrundung. Ich überdenke meine Planung für den Samstag, also für übermorgen. Ich bin morgens in Taormina und muss abends wieder auf dem Festland sein. Meine Unterkunft habe ich in Reggio di Callabria gebucht und will dort auch nicht zu spät sein, weil es dann am Folgetag wieder recht früh losgeht. Ich schaue mir den Fahrplan der Ferrovia Circumetnea an und finde einen Weg, wie ich die Ätna-Umrundung doch noch in den Tag „reinquetschen“ kann. Dafür wähle ich die Fahrt in die andere Richtung: Es geht mit dem ersten Zug aus Riposto bis Radanzzo und dann, nach abermals etwa einer Stunde Wartezeit, weiter nach Catania. Dies funktioniert nur, wenn ich sehr früh morgens von der Unterkunft in Taormina starte, aber was soll’s.

Der Entschluss ist gefasst und auf den Schock geht es jetzt erstmal für einen Abendspaziergang in die Stadt. Siracusa hat eine wunderschöne Altstadt mit vielen kleinen Gassen. Auch hier begegnet mir an diesem Abend des 5. Januar noch Weihnachtsbeleuchtung. Ich blicke aufs Meer in den Sonnenuntergang, genieße das Geräusch der Brandung und die leichte Brise. Bei um die 10 Grad ist es mit der Winterjacke sehr angenehm auszuhalten. Heute Mittag war ich bereits nur im Pullover bei über 15 Grad auf dem Bahnsteig von Messina spaziert. Es fühlt sich hier alles bereits nach Frühling an, mein innerer Kalender kommt völlig aus dem Takt. Es kann doch nicht Anfang Januar sein. In einigen Restaurants sitzen die Gäste bereits draußen. Ich entscheide mich dann aber doch, zum Essen in ein Restaurant zu gehen.

Während ich dort sitze und meinen Grillteller verspeise, überlege ich mir nun, was ich mit dem Tag morgen anfangen soll. Zunächst einmal überlege ich, ob ich den ganzen Tag in Siracusa verbringen will oder nicht. Weg komme ich nur um 8.44 Uhr mit dem Regionalzug oder um kurz nach 10 mit dem IC (was keinen großen zeitlichen Unterschied macht, aber teurer ist) oder eben wirklich erst nach 16 Uhr, wenn es schon fast wieder dunkel wird. Siracusa ist schön, aber aus dem Nichts so viele Stunden zu füllen, das brauche ich nicht unbedingt. Ich stelle fest, dass die Züge zwischen Catania und Messina nicht ganz so selten fahren – auch am Feiertag, ich dort also flexibler bin. Ich entscheide mich also, den Regionalzug bis Messina zu nehmen und dann von dort aus spontan zu schauen, wie ich den Tag gestalte. Das Wetter soll morgen zudem wechselhaft sein.

Ich gehe zurück Richtung Bahnhof und Hotel und schlafe dann auch früh ein, denn so ganz fit war ich, wie bereits berichtet, den ganzen Tag nach der Nacht im Schlafwagen nicht.

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