Januar-Frühling am Ätna und in Italien

2018 hat es mich das erste Mal mit der Bahn nach Sizilien verschlagen und ich war schwer begeistert von der über 20-stündigen Fahrt mit dem Nachtzug aus Mailand dorthin, der Landschaft und dem Blick auf den Ätna (Bericht hier). Eines war damals klar: Ich werde wiederkommen, um andere Teile der Insel noch näher kennenzulernen. Insbesondere die Schmalspurbahn rund um den Ätna, die Ferrovia Circumetena, war natürlich Pflichtprogramm. Ich kam wieder: Im Herbst 2021 (bisher habe ich keinen Bericht zu dieser Reise geschrieben), wieder mit zu wenig Zeit und viel zu vielen Wünschen, so reichte es damals auch nicht für die Fahrt um den Vulkan.
Die Chance, diesen Wunsch endlich zu verwirklichen kam dann im Januar 2023 – sehr spontan. Ich hatte die ersten beiden Wochen des Jahres Urlaub und wollte ursprünglich in der zweiten Woche Ski fahren. In der ersten Woche wollte ich eigentlich „nur“ den neuerdings nach Stuttgart verlängerten nightjet nach Venedig testen und dann erstmal zurück nach Hause, um die Skisachen zu holen. An Silvester kippte ich diesen Plan: Es war einfach nicht Winter genug. In den Alpentälern waren die Wissen grün und wenn Skifahren, dann wollte ich schon auch etwas Wintergefühle haben und nicht nur auf Gletschern oder weißen Bändern ins Tal fahren. So buchte ich mir spontan nach der Fahrt nach Venedig weitere Zugverbindungen und landete so relativ spontan wieder auf Sizilien.

Die Tour beginnt mit dem Nachtzug nach Venedig. Weiter geht es bis Bozen, wo ich meine zweite Nacht verbringe. Mit Abstecher nach Meran geht es dann weiter über Verona nach Mailand. Der Nachtzug bringt mich bis nach Siracusa. Den nächsten Tag verbringe ich ungeplant zwischen Siracusa und Messina und übernachte in Taormina. Dann geht es endlich um den Ätna und weiter aufs Festland nach Reggio Calabria. Nach einer weiteren Übernachtung fahre ich die „Sohle“ des italienischen Stiefels ab bis Taranto und noch weiter bis Bari. Hier übernachte ich erneut und fahre am Folgetag mit dem Frecciarossa die Ostküste hinauf bis nach Bologna und dem italo bis Turin. Die Rückfahrt erfolgt dann am nächsten Tag durch den Mont-Cenis Tunnel und Paris nach Köln.

Es ist der 2. Januar. Das Jahr hat gerade begonnen, Weihnachten liegt hinter uns, aber irgendwie war ich diesmal nicht so wirklich in Weihnachtsstimmung. Erst war viel Arbeit angesagt, dann war ich über die Feiertage krank, anschließend habe ich wieder gearbeitet – auch an Silvester und Neujahr. So verschwimmt die Zeit in diesen Tagen und es stellt sich nicht das Gefühl ein, das man sonst vielleicht zu Beginn eines Jahres hat. Dazu kommt, dass der Winter in diesem Jahr auch noch nicht wirklich zugeschlagen hat. Hier in Stuttgart waren es heute 18 Grad. Es ist 20 Uhr abends und ich stehe am Gleis des Kopfbahnhofes, der so langsam auf Abschiedstour ist und auch entsprechend nur noch ein Provisorium. In knapp 3 Jahren soll – Stand jetzt – der Tiefbahnhof, Stuttgart 21, in Betrieb gehen. Seit dem Fahrplanwechsel Mitte Dezember ist aber bereits die Schnellfahrstrecke nach Ulm in Betrieb. Da einige ICE – aber nicht alle – nun über diese Strecke fahren, ist auf der „alten“ Strecke durchs Filstal und die Geislinger Steige wieder mehr Platz. Das ist der Grund, dass ein Nachtzug, der bisher in München startete und endete, bis Stuttgart verlängert wurde: Ein Nachtzug, der so viele Ziele abdeckt, wie kaum ein anderer: Wagen nach Venedig, Budapest, Zabreb und saisonal Rijeka sind vereint in einem einzigen Zug. Irgendwo las ich mal die scherzhafte Bezeichnung „Nachtzug-Konglomerat“ und habe sie seitdem in meinem Wortschatz übernommen, um diesen Zug zu bezeichnen. Bisher startete er zur wenig attraktiven Zeit von ca. 23.30 Uhr in München und die Ankunft morgens um kurz nach 6 am Zielbahnhof war ebenfalls nicht optimal. Die Verlängerung nach Norden ist also optimal – gegen halb neun abends geht es in Stuttgart los.

Der Zug wird aus dem Abstellbahnhof bereitgestellt. Am Bahnsteig quatscht mich ein Mann auf englisch an, ob dies der Zug nach Budapest sei. Ich bejahe. Leider tut die Bahn – oder genauer deren Unterfirma DB Station&Service – hier einiges dafür, Nicht-Bahn-Profis zu verwirren. Auf der Anzeigetafel steht nur das Ziel „Venezia Santa Lucia“ eingetragen. In Laufschrift läuft klein darüber noch der Hinweis durch „mit EN…“ und dann die Zugnummern der anderen Zugteile. Die Städte Riejeka, Zagreb und Budapest tauchen gar nicht auf. Das ist längst nicht alles: Auf dem gedruckten Aushangfahrplan sind zwar auch alle vier Zugnummern angegeben, als Ziele aber nur Budapest und Zagreb angegeben. Wer seine Zugnummer nicht kennt, sucht Hinweise auf die Zugteile nach Venedig und Rijeka vergebens. Last but not least ist die Reihenfolge der Wagen auf dem gedruckten Wagenstandsanzeiger am Bahnsteig völliger Murks. Leider ist das kein Einzelfall in der Welt der Bahnhöfe der DB – und das tut mir immer weh, dies zu sehen, wie es hier Fahrgästen, die sich nicht gut auskennen, so schwer gemacht wird und den Verantwortlichen die Qualität der Aushänge und Anzeigen völlig egal zu sein scheint.

Ich laufe am Bahnsteig nach vorne, erst am Zugteil nach Budapest vorbei, dann am Schlafwagen nach Rijeka, den Wagen nach Zagreb und irgendwann bin ich dann vorne bei meinem Schlafwagen nach Venedig angekommen. Von außen ist er völlig verdreckt, eine Waschanlage hat er schon lange nicht mehr gesehen. Schade.

Auf dem Weg kann ich sehen, dass hier in Stuttgart bereits schon viele Fahrgäste in sämtliche Zugteile eingestiegen sind. Die Verlängerung scheint sich also tatsächlich gelohnt zu haben. Auch in meinem Schlafwagen bin einer von vielen Gästen, darunter auch Familien, die ihre Abteile suchen.

Ich finde meines direkt, kenne mich schließlich hier gut aus. Ich hatte frühzeitig gebucht und konnte noch ein Deluxe-Abteil mit Dusche und WC ergattern. Es befindet sich bereits in Nachtstellung, das heißt, das Bett ist statt der Sitze ausgeklappt.

Mit wenigen Minuten Verspätung setzt sich der Zug in Bewegung. Der Schlafwagenbetreuer nimmt meine Fahrkarte und meinen Frühstückszettel entgegen, auf dem ich die sechs Komponenten ankreuze, dich ich morgen früh gerne hätte. Da es aber noch nicht allzu spät ist und ich noch Hunger habe, möchte ich ein Abendessen bei ihm bestellen. Leider winkt er ab, er habe nichts mehr zu Essen an Bord. Gott sei Dank hatte ich mir noch zwei Brezeln in Stuttgart genau für diesen (Not)Fall gekauft. Trotzdem enttäuschend. Immerhin hat er noch ein Bier für mich.

Etwa eine halbe Stunde dauert die Fahrt bis Göppingen. Dann hält der Zug erneut und das für eine Viertelstunde. Göppingen verbunden mit Venedig, Budapest und Zagreb – der Bürgermeister wird sich freuen. Der eigentliche Grund scheint dagegen zu sein, dass dieser Nachtzug im Vergleich zum normalen Taktverkehr keine Priorität genießt und hier einen Zug überholen lassen muss.

Das bietet mir an diesem lauen Winterabend aber die Möglichkeit, noch einmal frische Luft zu schnappen und den Zug zu begutachten. Was mir in Stuttgart noch gar nicht aufgefallen war: Passenderweise hängt vor dem Zug sogar die Lok, die im nightjet-Design foliert ist (es gibt meines Wissens nach jeweils eine Lok dreier verschiedener Baureihen davon). Und, welch positive Erfahrung, hier in Göppingen bekommt man es sogar hin, alle vier Zugteile vernünftig anzuzeigen.

Ich steige wieder ein und der Zug fährt weiter. Einige Minuten später dann ein kleines Highlight: Wir erklimmen die Geislinger Steige. Am Fels schlängelt sich der Zug nach oben. Das erste Mal erlebe ich dieses beeindruckende Streckenstück bei Dunkelheit. In den normalen Zügen kann man abends davon nichts sehen – das helle Licht im Großraumwagen spiegelt sich schließlich in allen Fenstern. Im eigenen Schlafwagenabteil dagegen kann ich das Licht löschen und in die Nacht hineinblicken.

Das nächste Komfortmerkmal meines Schlafwagen-Abteils nutze ich jetzt: Die Dusche. Es ist schon verrückt, im fahrenden Zug entspannt warm duschen zu können. Ein Luxus, den ich liebe. Dann rein in den Schlafanzug und ab ins Bett. Erstmal aber noch in sitzender Position, am Fenster mit Blick nach draußen- die Bettdecke schon leicht über den Körper gezogen. So genieße ich das österreichische Bier, das ich mir vorhin gekauft habe. Währenddessen fahren wir in den Ulmer Hauptbahnhof ein.

Das Bier schmeckt und es macht mich müde. Ich lege mich hin, ziehe die Jalousien herunter und schlafe schnell ein. Von den Halten in Augsburg und München bekomme ich nichts mehr mit.

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