Go East! Auf Stippvisite in Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei

2. Reisetag:

Ich schlafe schlecht, sehr schlecht. Wahrscheinlich sogar so schlecht, wie ich noch nie in einem Nachtzug im Schlafwagen geschlafen habe. Ständig werde ich wach und kann kaum wieder einschlafen. Das hat vor allem zwei Gründe: Erstens ist die „Matratze“ in diesem Schlafwagen extrem hart und dadurch unbequem und zweitens fährt der Zug dermaßen unruhig und holpert über die Gleise, wie ich das selten erlebt habe. Ich weiß nicht, ob die Federung de Schlafwagens so schlecht (nicht ganz in Ordnung?) ist, oder die Gleislage katastrophal. Jedenfalls ist diese Fahrt im Schlafwagen ein richtiger Reinfall. Irgendwann muss ich die Strecke nochmal fahren, um zu sehen, ob ich nur Pech (Wagen) hatte, oder ob es wirklich an der Strecke liegt.

Kurz vor dem Überqueren der Grenze zwischen der Slowakei und Ungarn stehe ich auf und wenig später kommt auch schon der Schlafwagenschaffner mit dem Frühstück.

Vom Frühstück bin ich positiv überrascht, da ich nur ein 7-Days-Croissant erwartet hätte. Stattdessen gibt es zwei richtige Scheiben Brot und Brotaufstrich. Das hat für mich den Vorteil, dass ich so etwas, im Unterschied zum Croissant, vertrage.

Pünktlich erreicht der Zug den Bahnhof Budapest-Keleti. Vor drei Jahren bin ich hier schon einmal zu dieser Zeit angekommen, allerdings im Schlafwagen aus Prag.

Fünf Stunden Zeit bleiben mir nun in Budapest, bis ich mit dem EC nach Prag weiterfahren möchte. Zeit, die ich für eine Runde durch die Stadt nutze. Leider ist auch hier das Wetter eher schlecht.  Bei meinem letzten (und bisher einzigen) Besuch hier, gab es T-Shirt-Wetter. Im Kontrast dazu ist das heute natürlich nicht so schön, ich versuche aber das Beste draus zu machen.

Bei so einem Wetter können fünf Stunden schon sehr viel Zeit sein, man setzt sich schließlich nicht einfach mal auf eine Parkbank und ruht sich etwas aus. Dafür ist es zu kalt. Zudem habe ich auch wenig Interesse daran, irgendwo reinzugehen. So vertreibe ich mir die Zeit auch dadurch, dass ich dem Bahnhof Budapest-Déli einen Besuch abstatte. Neben dem Bahnhof Keleti, an dem ich heute früh angekommen bin, und dem Bahnhof Nyugati, von dem ich gleich abfahren werde, ist der Bahnhof Déli der dritte größere Kopfbahnhof Budapests. Es ist jedoch von den dreien der kleinste und im internationalen Verkehr der wohl unbedeutendste. Mir sind als bedeutende Verbindungen von hier lediglich die Züge nach Ljubljana und Zagreb bekannt.

Zunächst muss ich den Eingang des Bahnhofs finden, denn die Bahnhofshalle ist derzeit eine große Baustelle. Eine vergleichbare Bahnhofhalle, wie in Keleti oder Nyugati gibt es hier sowieso nicht. Es ist eher ein vergleichsweise modernes Gebäude, das vor den Gleisen steht. Es gibt keine Bahnhofshalle, die den Gleisbereich überdeckt.

Von einem schönen Bahnhof kann man hier also kaum sprechen. Aber so habe ich ihn immerhin auch mal kennengelernt und vielleicht kann ich von hier aus ja irgendwann einmal nach Zagreb oder Ljubljana fahren. Das wäre wirklich reizvoll.

Von einem schönen Bahnhof sprechen kann man dagegen beim Bahnhof Nyugati, den ich jetzt ansteuere. Die ECs nach Prag (und auch der EC weiter nach Hamburg) fahren von hier.

Viel esse ich nicht, schließlich will ich noch Platz im Magen für einen Besuch im Speisewagen lassen. Der EC „Metropolitan“, der alle zwei Stunden Budapest mit Prag verbindet, wird bereits auf der Anzeigetafel angekündigt.

Leider fährt dieser Zug nicht von einem der Gleise in der historischen Bahnhofshalle ab, sondern vom linken Flügelbahnhof vor der Bahnhofshalle.

Der Zug besteht aus Wagen der tschechischen Bahn: Sechs Wagen der 2. Klasse, ein Speisewagen und ein Wagen der 1. Klasse. Ein Wagen der 1. Klasse – das ist knapp bemessen, stelle ich fest, als ich den Wagen betrete. Fast alle Plätze im Wagen sind reserviert und ich kann mir einen der ganz wenigen unreservierten Plätze sichern.

Die meisten Plätze sind erst ab Bratislava reserviert, sodass es derzeit im Wagen noch sehr ruhig ist.  Die Qualität dieser 1. Klasse hier lässt stark zu wünschen übrig: Der Sitzabstand ist extrem gering, da hat man in vielen Wagen der 2. Klasse mehr Platz für die Beine. Nun habe ich sowieso ein Interrail-Ticket der 1. Klasse, aber würde ich eine einfache Fahrkarte für diese Verbindung lösen, bin ich mir nicht sicher, ob da ein Aufpreis zur 1. Klasse gerechtfertigt ist, oder ob man nicht besser einfach in der 2. Klasse fährt.

Pünktlich fahren wir los. Ich warte nur schnell auf die Fahrkartenkontrolle und begebe mich dann schon in den Speisewagen. Zwar wird in der 1. Klasse auch Am-Platz-Service angeboten, aber ich werde noch lang genug beengt hier sitzen und die Atmosphäre im Speisewagen möchte ich nicht missen.

Zum Einsatz kommt ein mir noch unbekanntes Modell, das von den tschechischen Speisewagen, die nach Deutschland kommen, abweicht. Der Wagen wirkt einerseits etwas moderner, andererseits aber auch nicht so einladend, wie die Wagen, die ich aus dem Deutschland-Verkehr kenne.

Die freundliche junge Kellnerin spricht gut Englisch und ich entscheide mich, mehrere kleinere Speisen zu bestellen und nicht die eine große Hauptspeise. Zunächst gibt es eine Gulaschsuppe:

Als „zweiter Gang“ folgen dann Würstchen und ein Gurkensalat:

Das Wetter draußen zeigt sich derweil noch unfreundlicher als am Vormittag. Mittlerweile hat es auch zu regnen begonnen. Die Strecke verläuft teils parallel zur Donau. Wie schön es hier bei Sonne sein muss?!

Nebenbei sind die Scheiben auch so verdreckt, dass es mühsam ist dafür zu sorgen, dass die Kamera überhaupt auf die Landschaft scharfstellt und nicht auf die Scheibe.

Ich zahle und gehe zurück an meinem Platz. Etwa eine Stunde nach der Abfahrt in Budapest überquert der Zug die Grenze zur Slowakei. Wir fahren zunächst genau auf der Strecke, die ich heute Nacht bereits im Nachtzug gefahren bin. Die nächsten anderthalb Stunden führt die Strecke bis nach Bratislava durch eher landschaftlich langweiliges plattes Land. Immerhin wird das Wetter besser und kurz vor der slowakischen Hauptstadt kommt dann sogar die Sonne raus. Die Scheiben werden dadurch aber auch nicht sauberer…

Kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof von Bratislava stehen wir einige Minuten am Einfahrtssignal. In der Kurve lässt sich der Bahnhof aber bereits erahnen.

Wie anhand der Reservierungen zu erahnen war, füllt sich hier der Wagen bis auf den letzten Platz. Die allermeisten werden die komplette Strecke von hier bis Prag fahren. Das sind noch vier Stunden.

Kurz nach der Abfahrt in Bratislava ist das hier mein letztes Bild bei Helligkeit:

Schon beim Überqueren der Grenze zu Tschechien bei Břeclav ist es draußen finster. Der Zug fährt nun über Brno (Brünn) nach Prag. Den Teil bin ich bei einer Fahrt vor vier Jahren (damals Prag – Břeclav – Wien) schon einmal bei Tageslicht gefahren, sodass ich es in Kauf genommen habe, dass ich diesen Teil heute bei Dunkelheit bereise. Ich höre Musik und lenke mich am Handy ab. So vergeht die Fahrtzeit dann doch recht schnell.

Die vorletzte Station vor Prag ist Pardubice. Hier werde ich morgen Abend, wenn alles gut geht, wieder sein und im Hotel übernachten. Das ist schon eine ziemliche Zick-Zack-Tour, die ich hier veranstalte.

Irgendwo stehen wir dann 20 Minuten auf freier Strecke. Die automatische Ansage (auch auf Englisch) spricht von einer technischen Störung. Dann fahren wir kommentarlos weiter. Prag erreichen wir dann auch etwa 20 Minuten später.

Da ich Prag nach mehreren Besuchen wirklich schon gut kenne, habe ich mir hier nicht aus touristischen Gründen einen längeren Aufenthalt eingeplant. Die drei Stunden, die ich nun hier habe, waren mir als Puffer wichtig. Würde ich den Nachtzug verpassen, wäre der Rest der Tour kaputt. Deshalb habe ich dafür gesorgt, dass ich auch mit einem Zug später (2-Stunden-Takt Budapest – Prag) noch den Nachtzug bekommen könnte. Ein Zug kann ja auch mal ausfallen. Die 20 Minuten Verspätung fallen bei diesem Puffer nun kaum auf und natürlich stört es mich auch nicht, in einer Stadt wie Prag ein paar Stunden am Abend zu verbringen. Ich packe mich also dick ein und los geht der Spaziergang:

Nach der Runde durch die Stadt schaue ich mir als nächstes die Nachtzüge an, die neben meinem noch heute Abend ab Prag fahren. Ich werde um 23.47 Uhr mit dem EN „Bohemia“ nach Košice fahren. Dieser Zug wird zum Fahrplanwechsel im Dezember eingestellt. Da es sich aber um einen Verstärker-Nachtzug für die Saison handelt, fährt er tatsächlich bereits in sechs Tagen das letzte Mal.  [Tom (Schienenstrang) war mit dabei.] Der „Hauptzug“ der von hier in den Osten der Slowakei fährt, ist der EN „Slovakia“ mit der Abfahrt um 22.15 Uhr. Er führt Schlaf-, Liege-, Sitz- und Autotransportwagen nach Košice und Humenné, außerdem Sitz-, Liege- und Schlafwagen nach Warschau.

Im Hintergrund ist der abfahrende „Slovakia“ zu sehen

Als nächstes steht der „Metropol“ auf dem Programm, der eigentlich bereits vor dem „Slovakia“ abfährt, heute Abend aber Verspätung hat. Der „Metropol“ war einst der Nachtzug, der Berlin über Prag mit Budapest verbunden hat. Vor vier Jahren habe ich ihn einmal ab Prag genutzt. Um kurz vor Mitternacht kam er aus Berlin eingefahren und es wurden in Prag noch diverse weitere Wagen angehangen, in einem hatte ich meinen Platz. Währenddessen haben die Reisenden aus Berlin in ihren Wagen wohl schon tief geschlummert. Mittlerweile gibt es diesen Zug nicht mehr. Nach kurzer Pause gibt es zwar wieder eine Nachtzugverbindung zwischen Berlin und Budapest, diese führt jedoch über Polen und nicht über Dresden und Prag. Prag und Budapest bleiben aber auch verbunden. Die Schlaf- und Liegewagen werden am Abend einem letzten Tagesrand-Intercity nach Břeclav angehangen. Damit entsteht ein ziemlich langer Zug, sogar mit Speisewagen für ein Abendessen.

In Břeclav stehen die Wagen anschließend ein paar Stunden herum, bis sie dann dem Zug aus Polen (mit den Wagen aus Berlin und Warschau) angehangen werden und gemeinsam nach Budapest fahren. Mit diesem Zug war ich heute Morgen aus Warschau gekommen.

Es sind noch immer über anderthalb Stunden, bis mein Zug abfährt. Ich vertreibe mir die Zeit in der warmen Bahnhofshalle. Bei einem kleinen Rundgang fallen wir die extrem langen Öffnungszeiten des Reisezentrums ins Auge. Hier wird persönlicher Service beim Fahrkartenverkauf offenbar noch besonders großgeschrieben. In Deutschland wären solche Öffnungszeiten wohl undenkbar:

Irgendwann wird auf der Anzeigetafel dann endlich das Abfahrtsgleis meines Zuges bekanntgegeben. Ich begebe mich zum Bahnsteig und kurze Zeit später wird der Zug auch bereitgestellt.

Mein Schlafwagen wird von der slowakischen Bahn gestellt und bewirtschaftet von der Firma „Wagon Slovakia“ aus Košice, die auch die Speiswagen in der Slowakei betreibt. Ursprünglich kommen die Wagen wohl, so habe ich es gelesen, aus Russland.

Der Wagen macht auf den ersten Blick einen guten Eindruck. Er ist weder extrem modern noch sehr alt und er wirkt sauber und gepflegt.

Anders als gestern, als im Schlafwagen die meisten Abteile belegt waren, sind neben mir gerade einmal drei weitere Reisende an Bord. Der Schlafwagenschaffner spricht nur brüchig Englisch, ist aber sehr freundlich. Viel muss aber auch nicht besprochen werden und das Frühstück in Form eines 7-Days-Croissants liegt schon am Abend im Abteil.

Die Toiletten sind sauber und funktionieren. Eine Dusche gibt es, wie bereits gestern erwähnt, in diesem Wagen nicht. Mich überkommt die Müdigkeit, schließlich ist es fast Mitternacht und ich habe in der letzten Nacht bekanntermaßen sehr schlecht geschlafen. Ich lege mich also schon ins Bett, bevor der Zug überhaupt abfährt. Das Bett ist erheblich bequemer als das gestrige, könnte aber auch noch weicher sein. Was diesen Aspekt angeht, haben die Schlafwagen Comfortline und Doppelstock (dort sogar mit Lattenrost), die man vom nightjet kennt, einfach allen anderen bisher von mir genutzten Schlafwagen etwas voraus. Ich mache das Licht aus und schaue noch kurz aus dem Fenster, während der Zug abfährt. Interessanterweise fahren wir in die andere Richtung aus dem Prager Hauptbahnhof hinaus als der „Slovakia“ vorhin. Auch wir haben Autotransportwagen an Bord und zwar nach Poprad-Tatry. Möglicherweise steht die Rampe zur Entladung dort umgekehrt, sodass der Zug einen Schlenker durch Prag fahren muss, damit die Autos dort zur Entladung richtig herum stehen.

Noch bevor ich darüber genauer nachgedacht habe, schlafe ich ein.

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