Balkanrunde: Von Basel über Split, Bar und Belgrad nach Wien

Tag 6

Um kurz vor sieben schleichen wir uns aus dem Hostel. Um diese Uhrzeit schlafen hier noch alle. Die Nacht war in Ordnung, aber ich bin irgendwie trotzdem froh, dass es nun weitergeht. Belgrad schaue ich mir dann irgendwann nochmal ordentlich an. Wir kaufen noch schnell etwas Proviant in einem Supermarkt in der Nähe des Bahnhofs ein. Leider führt der Avala seit diesem Jahr keinen Speiswagen mehr und somit müssen wir heute 12 Stunden mit eigenem Proviant durchhalten. Aber wir sind ja von gestern bereits in Übung. Im Hauptbahnhof von Belgrad steht der Avala bereits als einziger Zug im Bahnhof bereit.

Wir haben zwei Sitzplätze im Abteil reserviert, eigentlich freiwillig, denn im Internet hatte ich keinerlei Hinweise darauf gefunden, dass der Zug reservierungspflichtig ist. Auch der Mitarbeiterin im Reisezentrum in Deutschland musste ich erklären, dass ich freiwillig reservieren möchte, da sie auch sagte: „Müssen Sie doch gar nicht!“ Die Realität sieht anders aus (wenn man genau sucht, dann findet man dazu auch Hinweise im Internet – so genau hatte ich aber nicht geschaut). Der freundliche serbische Schaffner fragt uns kurz nach dem Einstieg (bis zur Abfahrt sind es noch 10 Minuten) noch extra, ob wir denn auch eine Reservierung haben und möchte die später bei der Kontrolle auch sehen und macht einen Zangenabdruck drauf. Immerhin ist es für ihn kein Problem, dass wir uns in ein anderes Abteil setzen, da vier Abteile im Wagen voll reserviert sind und alle anderen Abteile gar nicht. Der ungarische Abteilwagen ist bequemt, einladend, auch das WC ist sauber und es liegt sogar Seife bereit. Nur Papierhandtücher werden auch hier nicht nachgelegt.

Kurz nach der Abfahrt in Belgrad (wir schleichen natürlich wieder aus dem Bahnhof) überqueren wir die Save:

Anschließend geht es (sogar recht flott!) in Richtung Norden. Wegen Bauarbeiten bei Inđija müssen wir jedoch nach einigen Kilometern eine Dreiecksfahrt mit Fahrtrichtungswechsel machen. Dabei muss auch die Lok umgesetzt werden, was uns etwa eine halbe Stunde Verspätung einbringt. Warum man deshalb nicht in Belgrad eher losgefahren ist, erschließt sich uns nicht. Nach dem Halt in Inđija schleichen wir dann auch wieder. Interessanterweise nervt uns das heute nicht mehr so sehr wie gestern. Man gewöhnt sich offenbar an alles.

Bei Novi Sad überqueren wir die Donau, die wir heute nicht das letzte Mal gesehen haben werden. Anschließend schleichen wir weiter durch die Landschaft. Die ist zwar nicht wirklich berauschend, aber trotzdem bereitet uns die Fahrt Freunde. Nach all dem, was wir gestern „durchgemacht“ haben, (mit der Krönung: Hostel existiert nicht) sind wir nun ganz entspannt und genießen die Fahrt einfach nur.

Gute vier Stunden nach der Abfahrt in Belgrad erreichen wir dann den serbischen Grenzbahnhof Subotica. Zoll und Grenzpolizei gehen kurz durch den Zug und schauen auf die Pässe. Die Ausreisen gestalten sich immer einfacher als die Einreisen. Währenddessen wird die Lok gewechselt und es steigt bereits das ungarische Zugpersonal zu. Noch auf serbischem Staatsgebiet kontrolliert der ungarische Schaffner unsere Fahrkarten. Bis zur Grenze sind es von Subotica aus nämlich noch mehrere Kilometer. Als wir dann über die Grenze fahren, bin ich etwas geschockt von der Grenzbefestigung. Ich sehe den ungarischen Grenzzaun, der während der Flüchtlingskrise viel in den Medien war, das erste Mal mit eigenen Augen. Eine extreme Befestigung und an der Öffnung für den Bahnverkehr steht ein Grenzpolizist (ob es dort auch ein Tour zum Verschließen gibt, kann ich nicht erkennen). Kurze Zeit später erreichen wir den ungarischen Grenzbahnhof Kelebia. Da in Subotica ein Halt von 40 Minuten eingeplant ist und Passkontrolle und Lokwechsel recht schnell gingen, haben wir nur noch 15 Minuten Verspätung. Auch in Kelebia drücken die Ungarn aufs Tempo. Trotzdem gibt es eine umfassende Grenzkontrolle, schließlich sind wir hier an einer EU- und Schengen-Außengrenze. Die Zollbeamten schleppen die ganze Zeit eine Leiter durch den Zug, damit sie theoretisch in alle Ecken und Winkel schauen können. Ich habe aber den Eindruck, dass die Leiter wirklich nur durch den Zug getragen wird und nicht benutzt wird. Wenige Minuten später kommt eine freundliche Grenzpolizistin, die uns (nachdem sie unsere Pässe sieht) auf Deutsch anquatscht. Ihr Deutsch ist richtig gut. Ich weiß nicht, ob das Zufall ist, oder ob die Grenzer hier tatsächlich Deutsch können müssen. Wir müssen ihr ein paar Fragen beantworten (Woher kommen Sie jetzt her? Was haben Sie gemacht?), sie bleibt dabei aber absolut freundlich und höflich. Überhaupt  muss ich sagen, dass uns auf dieser Reise bisher sehr viele freundliche Grenzbeamte begegnet sind. Das freut mich, denn Freundlichkeit tut meiner Meinung nach der Menschheit gut und mich nerven Beamte, die meinen, dass sie ihre Autorität nur durch eine strenge und unfreundliche Art durchsetzen können.

Mit zehn Minuten Verspätung fahren wir in Kelebia weiter. Ab hier dient der Zug auch dem ungarischen Binnenverkehr und er hält alle paar Minuten in so schön klingenden Orten wie Balotaszallas, Pirtoi szölök oder Fülöpszallas. An allen Bahnhöfen gibt es eine örtliche Aufsicht, die dem Zug den Abfahrtsauftrag gibt.

Die Halte dauern immer nur sehr kurz (interessanterweise fährt der Zug mit offenen Türen los und sie werden dann erst geschlossen oder schließen sich gar ab einer bestimmten Geschwindigkeit automatisch?) und auch ansonsten ist es eine unglaublich entspannte Fahrt durch die meist flache Landschaft im Süden Ungarns.

Pünktlich (die Ungarn haben alles aufgeholt) erreichen wir Budapest-Keleti. Der absolute Großteil der Fahrgäste wechselt hier. Es gibt nur wenige Fahrgäste, die im Zug bleiben. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass es hier einen Aufenthalt von etwa 35 Minuten mit Lok- und Fahrtrichtungswechsel (dank Kopfbahnhof) gibt. Mein Kumpel nutzt das, um bei einer bekannten Fast-Food-Kette vor dem Bahnhof etwas zu Essen für uns zu holen. Wenn es schon keinen Speisewagen gibt, dann lösen wir das Problem eben so.

In Budapest gesellt sich dann eine junge Amerikanerin (?) zu uns ins Abteil, sodass wir bis Wien zu Dritt im Abteil sind. Auf der Fahrt bis Wien bekommen wir nun einen ungewohnten Geschwindigkeitsrausch, da wir heute Morgen in diesem Wagen noch so geschlichen sind. Ansonsten verläuft die Fahrt weitgehend ohne Highlights. Draußen ist das Wetter nun auch schlechter geworden und es regnet immer wieder.

Im Grenzbahnhof Hegyeshalom geht dann auch die österreichische Polizei durch den Zug und will nochmal unseren Ausweis sehen. Gab es nicht mal so etwas wie das Schengener Abkommen? Immerhin fahren die Polizisten bis Wien und wir bekommen keine Verspätung, da sie im fahrenden Zug kontrollieren. Ich werde aber nach all den Erlebnissen der letzten Tage noch weniger verstehen, wie man ernsthaft fordern kann, Grenzkontrollen wieder einzuführen. Für mich ist Schengen eine der größten Errungenschaften der Europäer. Nach den Polizisten kommt auch noch der sehr freundliche österreichische Schaffner vorbei, der mit Blick auf unsere Fahrkarte amüsiert anmerkt, dass er da ja nichts mehr zu stempeln habe. Obwohl die Fahrt heute nur unwesentlich kürzer als die gestrige war, kommt sie uns viel kürzer vor. Entweder wir haben uns daran gewöhnt oder es liegt daran, dass wir in den letzten Stunden doch eine vernünftige Geschwindigkeit gefahren sind. Ich habe jedenfalls, als wir in Wien eintreffen, nicht das Gefühl, dass ich ganz dringend aussteigen müsste.

Schön, dass es noch solche Direktverbindungen von Belgrad nach Wien gibt und auch schön, dass wir diese durchgehende Verbindung dann heute doch gefahren sind. Nur der Speisewagen fehlt auf so einer Strecke wirklich!

Wir sind wieder in der deutschsprachigen Welt angekommen! Unser Hotel liegt mehr oder weniger direkt am Bahnhof und unser Zimmer ist sauber und die Dusche freut sich auch schon auf mich (oder umgekehrt). Es war eine wunderschöne Balkanrunde mit einigen kleinen Widrigkeiten, auf die ich vielleicht manchmal auch etwas übertrieben reagiert habe. Aber am Ende würde ich wohl alles nochmal genauso wiederholen.

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