Balkanrunde: Von Basel über Split, Bar und Belgrad nach Wien

Tag 5

Heute klingelt unser Wecker wieder recht früh, schließlich fährt unser Zug bereits um 8.20 Uhr. Wir bekommen noch schnell ein Frühstück in unserer Unterkunft und machen uns dann zu Fuß auf dem Weg zum Bahnhof. Der liegt in der Nähe des Busbahnhofs und daher müssen wir wieder rund 20 Minuten laufen und durchqueren dabei einmal Bar. Anders als gestern, sind wir heute nicht wirklich traurig weiterzufahren. Bar kann man nicht wirklich als besonders schöne Stadt bezeichnen. Es gibt zwar zwischendurch einige schöne Gebäude (z.B. Kirchen), aber das meiste ist nicht wirklich schön. Dazwischen auch immer wieder Gebäude, die (warum auch immer) nur als Rohbau fertigstellt sind.

Außerdem freuen wir uns nun nach zwei Tagen endlich wieder Zug zu fahren. Wir kommen recht knapp am Bahnhof von Bar an, sodass ich nur noch Zeit für zwei kurze Schnappschüsse des Zuges am Bahnsteig habe.

Der Zug besteht aus vier 2. Klasse-Abteilwagen der montenegrinischen Bahn und einem Speisewagen. Alle Abteilwagen sind klimatisiert und haben leider keine Fenster zum Öffnen, also fällt das Erlebnis leider weg. Laut vagonweb.cz kommen aber wohl auch immer wieder ältere serbische Wagen mit Fenstern zum Öffnen zum Einsatz. Da haben wir heute wohl Pech, sind aber über die Klimaanlage irgendwie auch froh, schließlich ist es schon jetzt am Morgen sehr warm. Schon in Bar steigen viele Fahrgäste ein, wir ergattern aber doch noch ein eigenes Abteil im vorletzten Wagen.

Der Wagen wirkt recht modern und gepflegt und damit einladend. Der Fahrt führt zunächst noch entlang der Küste bis zum ersten Halt in Sutomore. Dort steigen zwei ältere Damen ein, die zu uns ins Abteil kommen. Die nächsten Minuten quatschen sie mit meinem Kumpel, der ja kroatisch spricht, über alles Mögliche, während ich den Blick nach draußen genieße. Zunächst gibt es aber nicht viel zu genießen, denn der Zug fährt durch den sechs Kilometer langen Sozina-Tunnel von der Küste weg ins Inland. Als wir den Tunnel wieder verlassen, erwartet uns die folgende Landschaft:

Die weitere Fahrt in Richtung der Hauptstadt Podgorica führt dann am Skutarisee entlang, der an einer schmalen Stelle überquert wird.

Nach ziemlich genau einer Stunde Fahrt erreicht der Zug Podgorica. Hier steigt eine der beiden Damen bei uns im Abteil aus, die andere fährt mit uns noch bis nach Serbien. Außerdem steigen in Podgorica nochmal viele Fahrgäste zu, unter anderem auch eine Reisegruppe (Gott sei Dank in einen anderen Wagen). Wir haben Glück und bleiben zu Dritt.

Jetzt, bis zum nächsten Halt in Kolašin, beginnt die zentrale Etappe auf der Fahrt zwischen Bar und Belgrad: Die Fahrt durch die montenegrinische Bergwelt. Der Grund, warum diese Strecke so legendär ist. Wir beide hängen quasi die ganze Zeit am Fenster. Es ist wirklich unfassbar beeindruckend und im Internet wurde uns nicht zu viel versprochen.

Auch noch ein paar Bilder nach den Videos:

Die Höhenunterschiede sind beeindruckend, die Streckenführung ist beeindruckend und die Landschaft sowieso. Wir beschließen schon jetzt, dass das definitiv nicht unsere letzte Fahrt auf dieser Strecke sein wird. Irgendwann folgt dann ein längerer Tunnel und auf der anderen Seite hat sich die Landschaft plötzlich erheblich verändert.

Die Landschaft ist plötzlich wieder saftig grün und die ganz extremen Höhenunterschiede sind Geschichte. Kurze Zeit später halten wir dann auch in Kolašin. Hier steigt die Reisegruppe aus dem ersten Wagen schon wieder aus und in einen Reisebus um. Offenbar kann man so etwas bei Reiseveranstaltern buchen, dass man wirklich nur den beeindrucktesten Teil der Tour (eine gute Stunde) fährt. Für uns sind es bis Belgrad aber nun noch über neun Stunden.

Die weitere Fahrt durch Montenegro (etwa noch eine guten Stunde) bis zum Grenzbahnhof Bijelo Polje kann man als eher unspektakulär bezeichnen. Wir sind aber gerade auch einfach gesättigt von den Eindrücken auf dem spektakulärsten Teil der Strecke. In Bijelo Polje geht die montenegrinische Grenzpolizei und der Zoll durch den Zug. Das läuft aber alles sehr unkompliziert (nur kurzer Blick auf den Ausweis). Außerdem wird die Lok gewechselt und auch das Zugpersonal wechselt. Nun verläuft die Fahrt entlang des Flusses Lim und nach etwa 10 Minuten erreichen wir den serbischen Grenzbahnhof Vrbnica. Hier sammeln die serbischen Grenzer die Pässe ein und bringen sie uns später zurück. Zusammen eine knappe Stunde Zeit ist für Lokwechsel und Passkontrolle in beiden Bahnhöfen eingeplant. Das ist immerhin deutlich realistischer als die 0 Minuten Grenzaufenthalte der Busse gestern und vorgestern. Trotzdem reicht die Zeit nicht ganz aus und wir sind ab Vrbnica mit wenigen Minuten Verspätung unterwegs. Das ist allerdings kein Drama.

Die weitere Fahrt führt auch entlang des Flusses Lim. Das ist zwar landschaftlich durchaus nett, aber mit der Zeit eintönig (vor allem, wenn man die richtigen Highlights schon gesehen hat). Was aber tatsächlich mit der Zeit an den Nerven zerrt, ist die Geschwindigkeit. Während wir in Montenegro mit einer angemessenen Geschwindigkeit unterwegs waren, schleichen wir durch Serbien. Laut Wikipedia sind auf vielen Abschnitten aufgrund des schlechten Streckenzustands nur 50 km/h erlaubt. Gefühlt fahren wir noch langsamer. In Prijepolje steigt unsere Mitreisende aus und wir sind ab sofort alleine im Abteil. In Priboj na Limu steht dann die Kreuzung mit dem Gegenzug an. Der möchte nur leider nicht kommen und sorgt dafür, dass wir auch eine halbe Stunde Verspätung haben, als er dann endlich mit genau dieser Verspätung kommt.

Weil wir keine Lust mehr auf unser Proviant haben, schauen wir uns einmal im Speisewagen um. Der scheint in erster Linie als Raucherwagen (für das Personal) zu dienen und es sieht nicht danach aus, dass es hier etwas zum Essen gibt. Also müssen wir wohl doch mit unseren trockenen Broten vorliebnehmen. Immerhin kann man uns aber ein gekühltes Getränk verkaufen. Wir kaufen uns jeweils eine Dose Cola (dann nehmen wir die Kalorien halt über ein Getränk auf), die der Speisewagenmitarbeiter aus einem handelsüblichen Kühlschrank holt, der im Gastraum des Speisewagens steht. Was es nicht alles gibt! Vielleicht funktioniert auch im montenegrinischen Speisewagen die hochkomplexe Kühltechnik in der Galley so gut wie bei der Deutschen Bahn, sodass man lieber auf einen normalen Kühlschrank setzt, den man einfach in die Steckdose steckt.

Jetzt steht ein wieder ein besonderer Abschnitt an: Wir fahren ein kleines Stück durch Bosnien und Herzegowina, jedoch ohne Halt.  Die Landschaft hier sieht auch wieder etwas anders aus:

Nach stundenlangem Schleichen über die Gleise erreichen wir gegen 17.00 Uhr die erste größere Stadt: Užice

Hier gibt es erneut einen Personalwechsel und wir stehen daher einige Minuten. Am Bahnsteig gegenüber steht währenddessen ein hochmoderner Flirt 3-Triebwagen der serbischen Bahn. Was ein Kontrast zur bisherigen Fahrt! Wir sitzen zwar auch in einem recht modernen Wagen, aber durch die langsame Geschwindigkeit hat man das fast vergessen. Verrückt, dass auch der Flirt an vielen Stellen in Serbien nur schleichen kann.

Überraschenderweise geht es nun die nächsten Kilometer doch etwas flotter voran. Unsere Hoffnung, dass es dabei bleibt, wird aber schon früh genug zerstört. Bis Belgrad wechseln sich nun kleiner Abschnitte auf denen der Zug recht flott fährt und lange Schleichpassagen ab.

Die Fahrt ist nun auch nicht mehr landschaftlich besonders interessant und zieht sich (das ich das einmal bei einer Bahnfahrt sage…). Außerdem hätte ich gerne mal wieder etwas Ordentliches zu Essen und nicht nur mein trockenes Proviant. Außerdem würde ich mich über eine saubere Toilette freuen. Die Toiletten im Wagen funktionieren zwar und haben Wasser (geschlossenes System), aber so richtig sauber sind sie nicht. Seife oder Papierhandtücher zum Trocknen wurden in Bar auch nicht aufgefüllt (Gott sei Dank habe ich eine eigene Seife dabei).

Als dann aber etwa eine Stunde vor der (die 30 Minuten Verspätung bereits eingerechnet) Ankunft in Belgrad die Sonne untergeht, möchte ich am liebsten wieder für immer hier in diesem Zug bleiben.

Die gute Laune endet dann aber doch recht schnell, denn wir kommen ziemlich abrupt mitten auf der Strecke zum Halten und der Strom und die Klimaanlage gehen aus. Minutenlang passiert gar nichts. Ich finde es eigentlich sympathisch, dass man hier nicht (wie in Deutschland) nach jedem Halt mit einer ausführlichen Willkommensdurchsage genervt wird, aber zumindest im Störungsfall mal eine Durchsage zu haben, wäre schön. Die Zeit verstreicht und auch in den anderen Abteilen werden die Fahrgäste langsam unruhig. Eine Türverriegelung scheint es hier auch nicht zu geben, denn ein Fahrgast hat die Tür bereits geöffnet und schaut nach draußen. Im Speisewagen kann mein Kumpel dann irgendwann (dank seiner Kroatischkenntnisse) herausfinden, dass es ein Problem mit der Lok gibt. Bevor wir aber darüber spekulieren können, was das bedeutet, geht es doch weiter und das Problem scheint gelöst. Wir haben nun anderthalb Stunden Verspätung und brauchen immer noch etwa eine Stunde bis Belgrad.

Eigentlich hatten wir geplant morgen mit dem Schnellzug Avala von Belgrad bis nach Wien durchzufahren. Da der Zug bereits um 7.25 Uhr abfährt, hätten wir aber überhaupt keine Zeit für eine Stadtbesichtigung (auch hier haben wir, ähnlich wie in Dubrovnik, bei der Planung einfach nicht darauf geachtet) und wir überlegen uns daher eine Alternative. Es gebe die Möglichkeit vier Stunden später loszufahren, mit der zweiten internationalen Tagesverbindung nach Budapest. Von dort kämen wir noch mit dem Nachtzug nach Wien (Ankunft gegen 23.20 Uhr). Dafür dürfte aber der Zug aus Belgrad nicht zu viel Verspätung haben, sonst würden wir in Budapest stranden und das würde unsere weitere Reiseplanung ab Wien (nicht mehr Teil dieses Reiseberichts) gefährden. Wir beschließen es trotzdem zum riskieren, um zumindest etwas Zeit in Belgrad zu haben.

Mit ziemlich genau anderthalb Stunden Verspätung schleichen wir dann in den Hauptbahnhof von Belgrad ein. Rechts in der Abstellanlage stehen bereits die ungarischen Wagen für den „Avala“ nach Wien, den wir nun ja nicht fahren werden. Links kommt uns der Nachtzug nach Bar entgegen, der gerade den Bahnhof verlässt. Lustigerweise ist uns der Nachtzug aus Belgrad auch schon heute Morgen in Sutomore (erster Halt nach Bar) entgegengekommen. Dank unserer Verspätung begegnen wir also heute zweimal dem gleichen Zug (natürlich nicht der gleichen Zuggarnitur, aber dem gleichen Zuglauf, der gleichen Zugnummer). Dann endet mit 13 Stunden die wohl längste Fahrt, die ich jemals in einem einzigen Tageszug (ohne Umstieg) gemacht habe. Trotz einiger Widrigkeiten würde ich es wohl wieder so machen.

Die Tage des Belgrader Hauptbahnhofs sind gezählt. Irgendwann (Termin wurde immer wieder verschoben) soll der komplette Verkehr zum neuen Durchgangsbahnhof Beograd Centar, etwas abseits der Innenstadt, geführt werden. Das sieht man dem Bahnhof auch an. Die Gleise sind völlig zugewachsen und man glaubt kaum, dass hier noch Züge fahren.

Uns treibt es zunächst in die Schalterhalle und wir stellen fest, dass tatsächlich auch gegen halb zehn am Abend noch Schalter geöffnet haben. Wir möchten also am besten die Reservierungen für morgen schon jetzt kaufen und mein Kumpel versucht Geld am Automaten abzuheben. Das funktioniert (wie sich im Nachhinein rausstellen wird) glücklicherweise aber nicht. Trotzdem fragt mein Kumpel (wieder auf Kroatisch – Serbisch, Kroatisch, Slowenisch, etc. sind eigentlich alles nur Dialekte und man versteht sich untereinander) am Schalter zur Sicherheit schon einmal nach, ob hier die notwendigen Reservierungen überhaupt verkauft werden können und ob das auch morgen noch funktioniert. Die Dame am Schalter bejaht seine Frage und wir verschieben den Kauf auf morgen.

Wir wollen nun als erstes in unserem Hostel eichecken und dann möglichst noch irgendwas in der Stadt zu Abend essen (falls das so spät noch geht). Wir freuen uns auf ein privates Doppelzimmer mit eigenem Bad. Zwanzig Minuten Fußmarsch sind es mal wieder bis zum Hostel, glücklicherweise treffen wir auf dem Weg noch auf eine geöffnete Wechselstube, sodass wir (wenn der Geldautomat schon nicht will) nun immerhin einige serbische Dinar im Portemonnaie haben. Als wir dann vor der Adresse des Hostels stehen, erleben wir die Überraschung des Tages: Es ist weit und breit kein Hostel zu sehen. Es handelt sich um ein normales Wohngebäude mit einigen Etagen. Wir irren etwas im Treppenhaus herum und irgendwann beschließen wir (vielleicht sind wir ja zu doof, das Hostel zu finden) einmal dort anzurufen. Ans Telefon geht niemand. Ein junges Pärchen sieht uns aber, wie wir da am Gebäude umherirren und spricht uns an. Sie fragt, ob wir das Hostel suchen und will uns dann zeigen wo es ist. Leider entgleiten auch ihr die Mundwinkel, als sie auf das Klingelschild zeigt und sieht, dass dort nichts mehr von Hostel steht. Das Hostel scheint es einfach nicht mehr zu geben. Obwohl wir über eine große (und seriöse) Hostel-Seite gebucht haben, hat uns niemand informiert. Gott sei Dank haben wir nur 3 Euro angezahlt.

Die Stimmung in der wir jetzt sind, kann man kaum beschreiben. Auf der einen Seite sind wir sauer, auf der anderen Seite beschleicht uns aber auch so ein Gefühl der Freiheit. Wir sind in Belgrad, es ist ein wirklich lauer Sommerabend, aber wir wissen nicht, wo wir heute die Nacht verbringen werden. Im Notfall machen wir halt bis morgen früh durch!

Jetzt müssen wir jetzt aber erstmal etwas gegen unseren knurrenden Magen tun. Leider sind wir für die Restaurants einfach zu spät dran (Küche bereits geschlossen), aber an einer Imbissbude gibt es für meinen Kumpel einen Döner und für mich eine Portion Pommes. Anschließend machen wir uns wieder auf den Weg zum Bahnhof um dort im Umfeld nach Hotels oder Hostels zu suchen. Direkt am Bahnhof finden wir dann auch ein Hostel, das einigermaßen brauchbar aussieht. Es sind auch noch zwei Betten im Schlafsaal frei. Das Bett ist sauber und ordentlich, das Gemeinschaftsbad aber nur bedingt einladend (insbesondere die Duschen sind es nicht). Wir beschließen daher, doch wieder zum ursprünglichen Plan zurückzukehren (Schnellzug „Avala“ mit der Abfahrt um 7.25 Uhr direkt nach Wien) und Belgrad demnächst nochmal vernünftig zu besuchen. Dann sind wir nämlich morgen wenigstens zeitig in Wien und haben dort dann auch sicher ein eigenes Zimmer mit sauberem eigenem Bad. Unser Hotel morgen in Wien kennen wir nämlich schon von bisherigen Besuchen.

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