Wer im Internet Bahnreiseberichte liest, der kommt um die Bahnstrecke zwischen Belgrad und Bar nicht herum. Sie wird als eine der beeindrucktesten Bahnstrecken Europas beschrieben, da sie spektakulär durch die montenegrinische Bergwelt trassiert ist. Sogar in der deutschen Wikipedia findet man einen außergewöhnlich ausführlichen Artikel zur Strecke. Deshalb hatte ich mir bereits vor Monaten vorgenommen, diese Strecke in eine Tour aufzunehmen. Gleichzeitig plante ich eine Interrail-Tour mit einem Freund. Da auch er Interesse an dieser Strecke hatte, entschlossen wir uns, die Fahrt auf der Tito-Bahn (so nennt man die Strecke auch) ins Zentrum unser Interrail-Tour zu stellen und die restliche Tour darum zu planen. Die Strecke in eine Rundreise aufzunehmen ist dabei gar nicht so einfach, da Bar Endpunkt der Eisenbahn ist und nur über diese Strecke zu erreichen ist. Da wir gleichzeitig gerne auch nochmal den Nachtzug von Zagreb nach Split fahren wollten und Split auch eisenbahntechnisch eine Sackgasse ist, bot sich an, beide Endpunkte zu verbinden und dazwischen ausnahmsweise mal mit dem Fernbus zu fahren. Im Endeffekt war das die richtige Entscheidung. Am Ende ist eine elftägige Interrail-Reise entstanden. Dieser Reisebericht zeigt davon einen Ausschnitt: Eine Balkanrunde. Die Tour startet in Basel und führt am ersten Tag als kleine Rundreise durch die Westschweiz. Mit dem Nachtzug fahre ich von Zürich nach Zagreb, wo ich auf meinen Mitfahrer treffen, der dort gerade ein Erasmus-Semester macht. In der folgenden Nacht geht es mit dem Nachtzug nach Split. Mit dem Fernbus legen wir in zwei Etappen die Strecke Split – Bar zurück (Übernachtung in Dubrovnik). Es folgt die Fahrt über die angesprochene Tito-Bahn und eine Übernachtung in Belgrad. Am letzten Tag geht es mit dem durchgehenden Schnellzug „Avala“ von Belgrad nach Wien. Dort endet die beschriebene Tour. Unterwegs war ich Ende April 2018.
Kurz vor 13 Uhr am Samstagmittag im Bahnhof Basel SBB. Eigentlich wollte ich bereits vor einer Stunde hier sein, aber ein Personenunfall hat meinen Zug in Deutschland aufgehalten. Natürlich hätte ich auch heute ausschlafen können, in Ruhe nach Zürich reisen können und problemlos dort den Nachtzug nach Zagreb erreicht. Aber wenn man schon einmal die Chance hat, einige Stunden Zeit für die Schweiz zu haben, ohne in diesem teuren Land nächtigen zu müssen, dann will ich das natürlich nutzen. Vorgenommen habe ich mir eine Runde durch die Westschweiz. Dabei möchte ich unbedingt den Rhonetal-Interregio zwischen Lausanne und Brig nutzen. Zunächst muss ich dafür aber nach Lausanne. Die schnellste Verbindung von Basel nach Lausanne führt dabei über Bern, ich nutze aber die vielleicht sogar etwas schönere Verbindung über Biel und Yverdon.
Zunächst geht es im IC 51 über die Jurabahn nach Biel. Auf der kurvigen Strecke kommt ein ICN mit Neigetechnik zum Einsatz.
Die Fahrt über diese Strecke kann ich jedem nur empfehlen. Sie liegt etwas abseits der Hauptverkehrsadern, die Züge sind meist nicht voll ausgelastet und die Landschaft ist absolut sehenswert.
Zwischen Moutier und Grenchen Nord durchquert der Zug dann den Grenchenbergtunnel und trifft kurze Zeit später auf die Strecke von Olten und Solothurn. Über diese Strecke kommt der IC 5 aus Zürich, in den ich in Biel umsteige.
Der Zug ist stark ausgelastet, im Speisewagen finde ich aber noch einen Platz. Dort gibt es aber direkt die erste Enttäuschung: Vom (über)teuren Speisenangebot kann ich exakt nichts essen. Ich habe mehrere Nahrungsmittelallergien und daher ist es bei mir etwas komplizierter, das kenne ich. Dass ich aber gar nichts vertrage, habe ich auch noch nicht erlebt, in keinem Speisewagen den ich bisher gefahren bin, auch im Schweizer Speisewagen noch nicht (das Angebot verändert sich auch dort immer mal wieder). So bestelle ich nur eine Cola und genieße den Blick aus dem Fenster, während der Zug am Bielersee und am Neuenburgersee vorbeifährt. Das Wetter ist klasse, die Sicht ist gut und ich kann im Hintergrund sogar die schneebedeckten Berge sehen.
Der IC 5 fährt halbstündlich, ab Yverdon aber immer im Wechsel nach Genf bzw. Lausanne. Kommt man mit dem IC 51 aus Basel in Biel an, erreicht man immer den IC 5, der den Ast nach Genf befährt. Aus zeitlichen Gründen ist die „große Runde“ über Genf aber nicht drin und sie lohnt sich auch landschaftlich nur bedingt (die Strecke zwischen Genf und Lausanne führt meist recht weit entfernt vom Genfersee und ist nicht besonders spannend). So fahre ich ab Yverdon mit einer S-Bahn direkt nach Lausanne. Gerne hätte ich mir hier etwas Zeit genommen, um ans Seeufer zu gehen. Dank der Verspätung in Deutschland klappt das aber nun nicht mehr und ich muss direkt den nächsten Interregio nach Brig nehmen. Wegen Bauarbeiten kommt der Zug heute ausnahmsweise nicht aus Genf, sondern startet hier in Lausanne.
Die knappe halbe Stunde bis Montreux führt die Fahrt nun landschaftlich wunderschön am Ufer des Genfersees entlang.
Leider können die Bilder (mit den Spiegelungen in den Fenstern) nicht einmal im Ansatz zeigen, wie schön die Fahrt ist. Ich muss zugeben, dass ich bisher auf dieser Strecke auch immer nur in Gegenrichtung (von Brig nach Lausanne) unterwegs war. Welch ein Fehler! In Richtung Brig ist die Fahrt eigentlich noch viel schöner, wenn man am Ende des Genfersees die hohen Berge sieht.
Nachdem wir den Genfersee verlassen haben, führt die Fahrt (weiterhin landschaftlich reizvoll) durch das weite Rhonetal.
Bei Sierre/Siders überquert der Zug dann wieder die Sprachgrenze und fährt im deutschsprachigen Teil des Wallis. Kurz vor Visp trifft dann die Strecke aus dem Lötschberg-Basistunnels auf die Strecke von Lausanne. Pünktlich (wir sind schließlich in der Schweiz) erreiche ich Brig.
Auch in Brig würde sich ein längerer Besuch lohnen (ich war schon mehrmals da) oder von hier aus über die Lötschberg-Bergstrecke zu fahren. Leider passt das heute alles nicht mehr. So bleiben mir nur etwa 20 Minuten, um im Bahnhofs-Kiosks etwas zum Essen zu kaufen (das funktioniert ja leider für mich im Schweizer Speisewagen nicht) und in den nächsten IC 8 zu steigen, der hier startet und nach Romanshorn fährt (via Lötschberg-Basistunnel, Bern und Zürich). Zum Einsatz kommt eine Doppelstock-Garnitur, die sich bereits in Brig gut füllt. Spätestens ab Visp (Anschluss aus Zermatt) ist der Zug zu nahezu 100 % ausgelastet. Das ist mit meinem großen Interrail-Rucksack nicht wirklich angenehm, da es wenige Staumöglichkeiten für Gepäck gibt. So quetsche ich ihn irgendwie vor mich, was meine Beinfreiheit sehr einschränkt.
Nach der Fahrt durch den Lötschberg-Basistunnel folgt dann das nächste landschaftliche Highlight: Der Fahrt am Thuner See entlang.
Kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof von Bern geht es landschaftlich wunderschön über die Aare. Da ich dafür auf der falschen Seite sitze und Gegenlicht habe, gibt es davon leider kein Foto. Nach einer weiteren Stunde (eher unspektakulärer Fahrt) erreiche ich pünktlich Zürich. 40 Minuten bleiben mir noch Zeit für eine Portion Pommes bei einer bekannten Fast Food-Kette und für den Einkauf von etwas Proviant für die Nacht, dann begebe ich mich zum Bahnsteig des Nachtzuges.
Während hinten die nightjet-Wagen nach Graz laufen, fährt der vordere Zugteil nach Zagreb, bestehend aus einem Sitz-, einem Liege- und einem Schlafwagen der kroatischen Bahn.
Sonnenuntergang am Züricher Hauptbahnhof
Im Schlafwagen begrüßt mich ein sehr freundlicher Schlafwagenschaffner, der zu meiner Überraschung sehr gutes Deutsch spricht (allerdings mit einem typischen Balkan-Akzent – wunderbar anzuhören). Ich habe ein Single-Abteil reserviert, schließlich will ich diese lange Nachtzugfahrt (Abfahrt: 20.40 Uhr; Ankunft: 10.45 Uhr) ausgiebig und nach meinen eigenen Vorstellungen genießen, ohne mich dabei von Abteilgenossen beeinflussen zu lassen.
Das Abteil ist sauber und in (fast) tadellosem Zustand. Eine Flasche Wasser, Erfrischungstücher und Seife liegen bereit. Mithalten mit dem „Welcome-Package“ im Schlafwagen des nightjets kann das jedoch nicht.
Nach der Ausfahrt aus dem Züricher Hauptbahnhof und der Fahrt durch den Zimmerberg-Basistunnel geht es am Zürichsee entlang. Es dämmert und die Stimmung ist wunderschön. Hier macht sich der entscheidende Vorteil eines Schlafwagenabteils im Vergleich zu einem normalen Zug bemerkbar: Ich kann als Reisender das Licht ausschalten und tatsächlich nach draußen gucken. In normalen Zügen spiegelt sich abends irgendwann nur noch die Beleuchtung in den Fenstern.
Bei der Fahrt entlang des Walensees ist es draußen schon stockdunkel. Trotzdem sitze ich im Bett, kann die Silhouetten der Berge und die Sterne erkennen und fühle mich wie der glücklichste Mensch auf diesem Planeten. Es hat etwas romantisches, das man aber explizit alleine erleben muss. Ich fühle in diesem Moment einfach die Freiheit, die Leichtigkeit und die Unbeschwertheit in meinem privaten rollenden Schlafzimmer.
Nach dem anschließenden Halt in Sargans steuert der Zug den Grenzbahnhof Buchs SG an. Nach Lokwechsel geht es durch Liechtenstein nach Österreich. In Feldkirch werden dem Zug nun Autotransportwagen nach Graz und Villach angehangen. Es ist ein lauer Sommerabend und viele Passagiere und auch mein Schlafwagenschaffner nutzen den 25-minütigen Halt dazu, noch etwas frische Luft auf dem Bahnsteig zu schnappen. Ich bleibe heute mal im Zug und mache mich bettfertig. Während der Fahrt über den Arlberg schlafe ich ein.
weiterlesen auf der nächsten Seite: