Der neue Tag begrüßt uns mit Sonnenschein und fast schon sommerlicher Wärme. Über 20 Grad sind heute angesagt. Anfang März sind wir hier im Süden schon im Frühsommer gelandet. Wir schauen auf die Karte und stellen fest, dass wir es aus dem Kopf heraus unterschätzt haben, wie südlich Sizilien doch liegt. Dagegen war unser Aufenthalt im vergangen Jahr in Bar (Montenegro) beinahe im „hohen Norden“. Dabei dachten wir damals schon: „Wow, so südlich waren wir mit der Bahn noch nie!“ Italien hat eine oft unterschätzte Nord-Süd-Ausdehnung.
Der Plan für heute: Einmal quer über die Insel fahren und am Abend in Syrakus ankommen. Die Züge fahren nur alle paar Stunden auf der Route durchs Inland. Wir nehmen den Zug gegen halb zehn am Vormittag.
Auf der Fahrt nach Catania kommt ein einzelner Minuetto-Triebwagen zum Einsatz. Die Triebwagen sind quasi die modere Form des Regionalverkehrs in Italien. Sie sind in ganz Italien unterwegs. Ich weiß nicht, wie alt die Triebwagen auf Sizilien genau sind (laut Wikipedia wurden die Züge ab 2003 ausgeliefert), aber für das doch recht junge Alter ist der Zustand der Züge von außen hier recht erbärmlich. Aus der Perspektive des Fotos ist das zwar nicht zu erkennen, aber am Lack sind überall Schrammen oder die Farbe blättert sogar komplett ab. Innen ist der Zug immerhin recht sauber und zumindest im ordentlichen Zustand. Über die Inneneinrichtung kann man streiten, aber viele Plätze sind unbrauchbar, wenn man einen Blick nach außen genießen will. Es gibt einige Wandfensterplätze und Sitzbänke, die quer zur Fahrtrichtung stehen.
Der Zug ist gut gefüllt, auch mit vielen Touristen, über eine Doppeltraktion könnte man da auch nachdenken. Wir können uns aber dann ganz vorne doch noch eine komplette Vierer-Sitzgruppe schnappen für eine gute Aussicht.
Die Fahrt bis nach Catania dauert etwa drei Stunden. Es gibt nur drei Zwischenhalte. Zunächst geht es eine knappe halbe Stunde wieder die Küste entlang bis Termini Imerese. Diesen Streckenabschnitt sind wir gestern schon gefahren. Dann zweigt die Strecke ins Inland ab und wir fahren über eine Stunde ohne Halt bis Caltanissetta Xirbi. Das ist schon ein gewaltiger Haltabstand für einen Regionalzug. Während wir die Strecke fahren, ist aber auch recht schnell klar warum: Wir fahren durch sehr dünn bis gar nicht besiedeltes Gebiet. Die Landschaft ist aber ein Traum und wir können uns gar nicht daran satt sehen:
Wir sind die ganze Zeit recht flott unterwegs. Die Strecken hier in Sizilien scheinen also tatsächlich sehr gut ausgebaut zu sein. Auf der Fahrt nerven uns allerdings im Zug alle paar Minuten irgendwelche automatischen Durchsagen. Gab es im Nachtzug gestern gar keine einzige Durchsage, scheint man hier der Meinung zu sein, alle paar Minuten irgendwas einspielen zu müssen. Vielleicht so ca. fünf Durchsagen wechseln sich regelmäßig ab. Das geht von einer noch sinnvollen Durchsage, wie der Ankündigung des nächsten Streiks, bis zur unsinnigsten Durchsage, in der man uns mitteilt, dass es in diesem Zug einen On-Board-Reinigungsservice gibt. Schön! Gesehen habe ich ihn nicht und ich glaube auch nicht, dass es ihn wirklich gibt. Und wenn es ihn doch gibt, soll er doch einfach machen. Außerdem kommen in aller Regelmäßigkeit Durchsagen, dass man sein Ticket doch bereithalten soll, falls man noch nicht kontrolliert wurde. Blöderweise hat der Schaffner, der auch wieder kein Wort Englisch sprach, längst alle Fahrgäste kontrolliert und Zwischenhalte gibt es ja auch kaum.
Irgendwann stecke ich mir Ohrstöpsel ins Ohr und höre Musik. So lässt sich diese traumhafte Landschaft noch besser genießen. Völlig unverständlich ist mir und meinem Kumpel, wie man bei dieser traumhaften Fahrt die ganze Zeit auf seinem iPad rumdaddeln kann, wie es die amerikanische Familie neben uns macht. Die Eltern leben es dabei ihren beiden jungen Kindern perfekt vor.
Caltanissetta Xirbi erreichen wir pünktlich. Hier kreuzen wir mit dem Gegenzug und es gibt einen weiteren Anschlusszug, nämlich nach Caltanissetta Centrale. Ein paar Fahrgäste verlassen den Zug, ein paar steigen ein. Der Großteil der Fahrgäste bleibt aber.
Auch die nächsten zwanzig Minuten Fahrt bis Enna sind ein Traum. Man fühlt sich auf dieser Etappe aber eher wieder wie in der Zivilisation, denn die Strecke verläuft in Sichtweite zur Autobahn. Bahnhof Enna
Von Enna geht es dann nochmals über eine Stunde ohne Halt bis zur Endstation Catania. Aber schon kurz nach der Abfahrt ist aus dem Zugfenster das erste Mal der Ätna zu sehen:
Die Strecke ist auf diesem Abschnitt recht kurvig. Mal ist der Ätna durch das linke Zugfenster, mal durch das rechte und mal vorne zu sehen (wir können durch die Glastür in den Führerstand schauen).
Wenn es nach mir ginge, könnte die Fahrt noch stundenlang so weitergehen. Für mich ist diese Strecke in jedem Fall auch für künftige Sizilien-Besuche ein Muss.
Der Bahnhof Catania Centrale, an dem wir mehr oder weniger pünktlich ankommen, liegt dann quasi direkt am Meer.
Hier in Catania hätten wir direkten Anschluss nach Syrakus, wir entschließen uns aber, hier eine Pause einzulegen und erst mit dem nächsten Zug in gut drei Stunden weiterzufahren.
Catania mit Ätna im Hintergrund
Catania liegt am Fuße des Ätnas. Einen Blick auf den Berg hat man allerdings nur an ganz wenigen Stellen, müssen wir feststellen. Zu Fuß gehen wir in die Innenstadt, um dort im McDonald‘s etwas zu essen. Das, was wir auf dem Weg dorthin sehen, ist leider wirklich nicht sehr schön. Catania wirkt sehr dreckig, kaputt und heruntergekommen. Sicher wird es auch noch schönere Teile geben, allerdings ist das für den Teil der Innenstadt, den wir sehen, schon bitter. Uns stört es aber trotzdem nicht sonderlich, irgendwie passt das hier alles ins Bild. Der McDonald’s ist übervoll, wir bekommen nur mit Mühe einen Platz. Es ist laut, viele Kinder schreien. Davon könnte man jetzt auch total genervt sein, aber wir haben doch Urlaub und es ist halt ein kleines Abenteuer und so ein bisschen schon eine andere Kultur hier.
Für die Rückfahrt zum Bahnhof nutzen wir die U-Bahn von Catania, die ihre aktuelle Endstation (Verlängerung ist in Bau) recht nahe am McDonald‘s hat. Da wir aber noch etwas Zeit bis zur Abfahrt des Zuges nach Syrakus haben, fahren wir mit der U-Bahn noch etwas weiter, nämlich bis Borgo. Dort liegt die Endstation der Ferrovia Circumetnea, einer Schmalspurbahn, die beinahe rund um den Ätna führt (das fehlende Stück der kompletten Runde kann man mit der normalen Eisenbahn zurücklegen). Diese Bahn steht ganz oben auf meiner „Musst du fahren“-Liste. In diesem Urlaub konnten wir die Fahrt aber aus zeitlichen Gründen nicht einbauen.
Als wir ankommen, steht am Bahnsteig gerade ein übervoller Zug, der wenige Sekunden später abfährt. Es ist Nachmittag, die Schule scheint gerade aus zu sein und viele Schüler sind in der Bahn.
Nachdem wir die Abfahrt beobachtet haben, fahren wir mit der U-Bahn zurück zum Hauptbahnhof.
Der Regionalzug zur Weiterfahrt kommt aus Messina, fährt bis Syrakus und wird wieder aus einem Minuetto-Triebwagen gebildet. Der Ätna bleibt bei der Fahrt im Blick.
Nach einer guten Stunde Fahrzeit kommen wir dann pünktlich im Syrakus an.
Wir checken in unserer Unterkunft ein und machen einen Abendspaziergang durch die Stadt inklusive Abendessen. Syrakus ist eine schöne Stadt und, anders als Palermo oder Catania, wirkt die Stadt sauber und gepflegt.
Interessanter Bericht mit schönen Fotos und Video. Was ich noch cool fände: Eine Übersicht über die Kosten und wie bzw. über welche Wege ihr Züge und Unterkünfte gebucht habt. Vielleicht kannst du das ja nachreichen 🙂
Vielen Dank für die netten Worte und das Feedback! Ich schaue, dass ich das heute Abend am Ende des Berichtes ergänze.
Toller Bericht! Vielen Dank fürs teilen.
Deine Seite ist grundsätzlich sehr lesenswert. Mach weiter so.
Vielen Dank!
Sehr schöner Bericht mit super Bildern und gut erzählt. Erinnert mich an meine eigene Fahrt die ähnlich verlief (Kombination aus Tag- und Nachtzügen).
Es muss nicht immer das Flugzeug sein um einen entspannten Urlaub zu verbringen, gerade Italien ist mit dem Zug eben sehr gut erreichbar, sowohl per Tagzug als auch per Nachtzug.
Hallo Niklas,
Vielen Dank für den ausführlichen und gut geschriebenen Bericht.
Ich werde die Reise mit dem Nachtzug Mailand – Syrakus in einigen Tagen machen. Aufgrund der Corona-Krise verläuft meine gesamte Reise allerdings durchgehend von Saarbrücken aus, 33 Stunden.
Es ist für mich aber auch ein Symbol dafür, aus meiner Komfortzone heraus zu kommen (wie man ja heute so schön sagt) und Dinge nicht gleich als unmöglich abzustempeln.
Ich bin jedenfalls sehr dankbar, dass ich mich auf der Basis dieser Schilderung nun besser vorbereiten kann.
Alles Gute und schöne Grüße aus dem Saarland
Verena
Das freut mich zu lesen! Dir eine gute Fahrt!
Hallo Niklas,
Danke, die habe ich (dreimal auf Holz für den weiteren Verlauf ) : Freundliche Schaffner, interessante Gespräche im Gang, viel zu viel zu essen gekauft , dank Corona eine Schlafkabine für mich allein…
… und die Überfahrt auf der Fähre und das Rangieren des Zuges darauf war wirklich ein besonderes Erlebnis!
Nun geht es weiter nach Syrakus.
Grüße
Verena
Hallo Niklas und Verena,
Danke Niklas für den detailreichen und unterhaltsamen Beitrag.
Ich möchte im Juli mit dem Zug nach Sizilien. Ich überlege die Strecken Venedig-Rom und Rom-Catania mit dem Nachzug zu fahren. Daher frage ich mich nun leider, ob ich mich als Frau alleine in einer Einzelkabine beim Schlafen sicher fühlen kann. Sind die Schlafkabinen abschließbar? Verena, wie hast du das erlebt?
Viele Grüße und Danke für Infos von euch oder anderen, die die Reise gemacht haben.
Halllo Alexandra, danke für das nette Feedback.
Ich habe es in Westeuropa eigentlich noch nie erlebt, dass ein Abteil im Schlaf- oder Liegewagen nicht abschließbar ist. In der Regel gibt es sogar zwei Verrigelungen. Manchmal lässt sich eine von beiden vom Steward von außen öffnen, es ist aber immer eine mit dabei, die nur von innen geht. Ich erinnere mich jetzt nicht mehr ganz genau an den Schlafwagen in Italien zurück, aber ich hätte es mir sicher gemerkt, wenn es da anders gewesen wäre. Ich denke, was das angeht, musst du dir wirklich keine Sorgen machen.
Viele Grüße!