Ich gebe es gerne zu: Ich bin verrückt nach den Alpen! Im Sommer wandere ich gerne, im Winter fahre ich in der Regel Ski. Vor ein paar Jahren bin ich aber das erste Mal im Winter wandern gegangen und habe Spaß daran gefunden. Im Vergleich zum Skifahren bietet das mehr Ruhe (ich bin ein sehr sportlicher Skifahrer). Viele Skigebiete kümmern sich mittlerweile um Winterwanderer und bieten eigens präparierte Wanderwege an. Diese gibt es auch in Oberstdorf und im Kleinwalsertal – mit der Bahn nur eine Nacht entfernt!
Mit dem RE2 geht es von Münster nach Essen, von dort mit dem Nacht-ICE 619 nach Augsburg und weiter mit einem RE nach Oberstdorf. Auf der Rückfahrt nutze ich einen RE nach Ulm und von dort den ICE 512 „Münsterland“ zurück nach Münster. Die Tour fand an einem Samstag (Beginn am Freitagabend) Ende März 2018 statt.
Wenn ich mit dem Nacht-ICE 619 in den Süden fahre, dann nutze ich ihn meistens direkt ab Dortmund. Heute entscheide ich mich einmal für eine andere Variante: Es geht bis Essen mit dem RE2.
Ich bin auf der Hinfahrt in der 1. Klasse unterwegs und fahre tatsächlich auch das erste Mal den RE2 in der 1. Klasse. Im Oberdeck des Steuerwagens gibt es breite Ledersitze und Klapptische im Vordersitz. Teppichboden gibt es leider nicht, obwohl ich finde, dass so ein Teppichboden einen Zug (oder mindestens die 1. Klasse) erst richtig hochwertig aussehen lässt.
In der 1. Klasse bin ich auf der kompletten Fahrt ganz alleine. Bilder gibt es keine, es ist draußen bereits dunkel. In Essen besuche ich dann noch kurz die DB Lounge und dann fährt auch schon der ICE nach München ein.
Noch ist die 1. Klasse sehr leer, sie füllt sich erst in Düsseldorf und Köln.
Zum Einsatz kommt ein noch nicht redesignter ICE 3, im Unterschied zu meiner letzten Fahrt im ICE 619 (Bericht hier). Normalerweise fahre ich in diesem Nacht-ICE immer in der Lounge hinter dem Lokführer mit. In der redesignten Variante des ICE 3 ist aber das Licht in der Lounge selbst im „gedimmten“ Zustand extrem hell, deshalb wollte ich es auf dieser Fahrt einmal im 1. Klasse-Abteil versuchen (drei Abteile der 1. Klasse besitzt der Zug dankenswerterweise auch nach dem Redesign noch, in der 2. Klasse verschwinden sie gänzlich). Jetzt ist es zwar doch wieder ein „alter“ ICE 3, ich bleibe aber bei meiner Platzwahl. Im Abteil ist auch nur mein Platz reserviert, was in der 1. Klasse ja schon einmal ein gutes Zeichen ist (dank Inklusivreservierung gibt es nur wenige Reisende ohne Reservierung).
Bis Frankfurt Hbf läuft die Fahrt ohne besondere Vorkommnisse. Zwischen Köln und Frankfurt gehe ich noch kurz ins Bistro, in Frankfurt steigt dann aber ein älteres Ehepaar zu mir ins Abteil. Beide haben wohl einen Zug verpasst und fahren daher jetzt mit mir bis Stuttgart. An Schlaf ist nun kaum zu denken, denn die beiden quasseln ohne Ende. Das Abteil ist ein Ruhebereich – das nehmen beide auch wahr und der Mann sagt zu seiner Frau immer wieder, dass er nun auch etwas dösen möchte. Sie fängt aber nach wenigen Minuten immer wieder an, ihren Mann anzuquatschen. Ich könnte mich darüber aufregen und sie nochmal deutlich um Ruhe bitten, habe aber keine Lust dazu und „ertrage“ diese Situation.
Etwas schmunzlen muss ich darüber, dass den Mann die vielen Fahrtrichtungswechsel verwirren. In Frankfurt Flughafen, Mannheim (dank Umleitung) und Karlsruhe ändern wir die Fahrtrichtung. Gut, dass er in Stuttgart aussteigt, denn da gibt es schon den nächsten Fahrtrichtungswechsel. Die weitere Fahrt bis Augsburg herrscht dann Ruhe im Abteil und ich döse dann doch etwas vor mich hin.
Als ich mich kurz vor Ausgburg zum Ausstieg bereitmache stelle ich fest, dass in den beiden Nachbarabteilen ganze Familien auf der Fahrt in die Ferien sitzen. Sie haben Schals vor die Lampen im Abteil gespannt, damit es dunkler ist. Für solche Fahrgäste wäre ein echter Nachtzug wohl die deutlich bessere Wahl. Der nightjet Düsseldorf-München (-Innsbruck) ist aber bereits länger ausgebucht (Ferienbeginn) und die Bahn legt einem auch noch zusätzlich Steine in den Weg, indem der Zug derzeit online auf einer nationalen Strecke gar nicht buchbar ist.
In Augsburg habe ich eine gute halbe Stunde Zeit. Der Bahnhof wird derzeit umgebaut, es gibt ein Containerdorf auf dem Vorplatz und ich kann dort etwas frühstücken. Einige Minuten vor Abfahrt wird dann der Regionalexpress nach Oberstdorf und Lindau (Zugteilung in Immenstadt) bereitgestellt.
Ich bin der einzige Fahrgast in der 1. Klasse und kann auf der Fahrt den Blick nach draußen genießen. Es dämmert und die Sonne geht langsam auf. Ein wunderbarer Tag kündigt sich an.
Die Berge kommen langsam in Sicht:
Nach der Zugteilung und dem Fahrtrichtungswechsel in Immenstadt sind sie dann noch näher:
Pünktlich erreicht der Zug den Bahnhof von Oberstdorf.
Für mich geht es direkt zum Busbahnhof und in den nächsten Bus ins Kleinwalsertal. Währenddessen wird auf Gleis 5 der IC 2012 nach Hannover bereitgestellt. Aber wer will bei diesem Wetter schon aus Oberstdorf wegfahren?
Das Kleinwalsertal gehört zu Österreich, ist aber über Straßen nur aus Deutschland zu erreichen. Bei der Fahrt in Richtung Riezlern kann ich mein Tagesziel schon erkennen: den hohen Ifen!
In Riezlern muss ich nochmal umsteigen und nach 40 Minuten Busfahrt stehe ich an der Talstation der Ifenbahn. Am Ifen gibt es von der Bergstation aus zwei tolle Winterwanderwege, weshalb der Ifen auch bei Fußgängern sehr beliebt ist. Toll sieht er mit seinem felsigen und kammartigen Gipfelplateau auch noch aus.
Die Kabinenbahn bringt mich in zwei Sektionen auf 2030 Meter. Die Bahn wurde im Sommer neu gebaut und ersetzt zwei alte Sesselbahnen. Auf der Bergfahrt teile ich mir die Kabine mit vielen Skifahrern. Die Bahn heißt zwar Ifenbahn, aber sie führt nicht auf den eigentlichen Gipfel des hohen Ifens, sondern endet unterhalb des Hahnenköpfle. Das ist vielleicht auch gar nicht so schlecht, denn so hat man die majestätischen Felswände des Gipfelplateaus immer neben sich.
Der Ausblick von der Bergstation ist fantastisch!
Panorama (zum Vergrößern klicken):
Ich setze mich zunächst auf die Sonnenterasse, auf der man jetzt (gegen 10 Uhr) noch einen wunderbaren Platz mit Aussicht bekommt, schließlich starten die ganzen Skifahrer jetzt erst in den Tag und denken noch nicht an die Mittagspause. Nachdem ich einen Tee getrunken habe, starte ich auch den sportlichen Teil meines Tages. Direkt hinter der Bergstation beginnt einer der beiden Winterwanderweg und zwar der zum Gipfel des Hahnenköpfle. Fünf bis zehn Minuten geht es teilweise steil bergauf und dann ist man oben:
Nachdem ich einige Minuten den Ausblick genossen habe, geht es wieder nach unten und direkt auf den zweiten Wanderweg, den fünf Kilometer langen Winterwanderweg über den Gottesacker.
An einer Stelle kann man den Weg abkürzen und nur drei Kilometer gehen, ich bleibe aber auf der langen Strecke. Außerdem überquert man hier mehrmals die Grenze zwischen Österreich und Deutschland. An einer Stelle haben die Bergbahnen sogar extra ein Schild aufgestellt:
Ich bin immer wieder beeindruckt, wie wenig mir so eine Nacht (fast) ohne Schlaf ausmacht. Scheinbar ist das Adrenalin so stark, dass ich jede Müdigkeit vergesse wenn ich in den Alpen bin und dann auch noch Sport mache. Zumindest bin ich fit und kann die Wanderung voll genießen.
Es ist einfach wunderschön und entspannend. Hier auf dem Wanderweg ist es ruhig. Ein paar andere Wanderer sind zwar auch unterwegs, aber man hat hier nicht das Gefühl von Massentourismus auf diesem Weg. Obwohl es nur Temperaturen knapp über den Gefrierpunkt hat, ziehe ich meine Jacke aus. Die Sonne knallt Ende März schon richtig. Zwischendurch mache ich Pause auf einer von mehreren Bänken, die am Weg aufgestellt sind, und erfrische mich mit Schnee.
Ich bin fast traurig, dass der Weg schon nach fünf Kilometern vorbei ist, entscheide mich dann aber doch gegen eine zweite Runde 😉
Wieder an der Bergstation angekommen gibt es Mittagessen im neuen Restaurant. Hier ist man tatsächlich in der Welt des Massentourismus angekommen. Die deutlich vergrößerte Sonnenterasse ist voll und auch innen finde ich nur mit Mühe noch einen Platz an einem Tisch. Während ich nun durch die großen Fenster die Aussicht genieße, nehme ich mir alle Zeit der Welt für das Essen. Beim Skifahren möchte ich den Tag immer möglichst ausnutzen und halte die Mittagspause immer sehr kurz. Heute habe ich aber die Ruhe weg.
Ich denke auch darüber nach, wie beeindruckend die ganzen Pisten und Winterwanderwege hier oben sind. Ich kenne die Landschaft hier nämlich auch aus dem Sommer. Es ist es eine steinige Landschaft mit zig Spalten, wie dieses Bild aus dem Sommer 2013 zeigt (zum Vergrößern anklicken):
Man kann sich im Sommer kaum vorstellen, dass hier so viel Schnee fällt, dass man Pisten und Wanderwege präparieren kann. Da das Gebiet unter Naturschutz steht, fährt die Bahn im Sommer nicht bis oben und das Restaurant ist geschlossen.
Zurück im Winter: Bevor ich mit der Bahn wieder ins Tal fahre, genieße ich noch einmal kurz die Aussicht:
Mit dem Bus geht es zurück in Richtung Oberstdorf. Dafür muss ich in Riezlern wieder umsteigen und schaue nochmal zum Ifen.
In Oberstdorf bummele ich noch etwas durch den Ort und steige dann um 16.38 Uhr in den RE nach Ulm.
Zurück geht es in der 2. Klasse und der Zug ist gut gefüllt mit Wintersportlern, die ihre Heimreise antreten. Den ganzen Tag über hatte ich perfektes Kaiserwetter und jetzt sehe ich aus dem Zug auch noch den Sonnenuntergang (nachdem ich auf der Hinfahrt heute Morgen den Aufgang gesehen habe). Da muss ich an ein Kinderlied denken:
Was ein perfekter Tag! In Ulm klappt dann auch der Umstieg auf den ICE 512, der mich direkt nach Hause bringt. Zu meiner Überraschung erwische ich auch noch den grünen ICE.
Nach einem Abendessen im Bordrestaurant (das es ja im redesignten ICE 3 wieder gibt) suche ich mir einen Platz in der 2. Klasse und genieße die Fahrt bei Höchstgeschwindigkeit über die SFS von Frankfurt nach Köln.
Das Redesign der ICE 3 bringt (aus meiner Sicht) Vor- und Nachteile: Vorteile sind ganz klar das Bordrestaurant, aber zum Beispiel auch das neue Fahrgastinformationssystem mit Streckenkarte. Ich liebe es zu sehen, woher der Zug fährt. Großer Nachteil für mich ist ganz klar die Beleuchtung (zu hell, kaltes weiß statt warmes weiß). Viele Fahrgäste kritisieren auch die Sitze, das kann ich aber noch nicht abschließend beurteilen.
Fast pünktlich erreiche ich mit dem ICE wieder meine Heimat Münster. Es war ein unfassbar toller Tag und selbst das funktioniert mit der Bahn: Tagsüber noch in den Alpen sein und abends schon wieder im eigenen Bett liegen.
Hallo Niklas,
danke für den tollen Bericht!
Schön, dass solche Touren mit der Bahn noch gehen. Noch schöner wäre es, wenn man zumindest eine Fahrt im Schlaf- oder Liegewagen absolvieren könnte.
Viele Grüße,
Sebastian
Hallo Sebastian,
danke für das Kompliment! Tatsächlich wäre mir eine Fahrt im echten Nachtzug (also Schlaf- oder Liegewagen) auch lieber gewesen, aber der nightjet war bereits ausgebucht. Außerdem muss ich zugeben, dass der nightjet mir fast etwas zu spät ankommt (ich starte in den Alpen gerne früh zum Betriebsbeginn an der Seilbahn – da ermöglicht einem der ICE schon eine Ankunft in Oberstdorf zur perfekten Zeit). Echte Nachtzugreisen genieße ich auch lieber und fahre Strecken, auf denen ich nicht schon um sechs (oder gar früher) aus dem Bett gejagt werde. Also wann immer es geht und Sinn macht ziehe ich den echten Nachtzug vor, aber ich sage auch: Lieber ein Nacht-IC(E) als gar kein Zug 😉
Moin,
was das Winterwandern in Verbindung mit gescheitem ÖV angeht, kann ich auch Graubünden/Schweiz absolut empfehlen. Verhältnismäßig günstig, wenn man sich das Monats-BüGa kauft. Kostet knapp 200 Euro und gilt bereits auch ab Landeck (AT) im Bus… Für 1 Woche Urlaub ein guter Preis und man kann überall hinkommen. Interrail geht natürlich auch, gilt aber nur im Zug.
Es gibt vielerorts sehr viele präparierte geniale Wanderwege, die man gut erreicht und auf die der ÖV abgestimmt ist
Gruß
Chrischan